Dieser Mann ist leider tot
warteten. Er kannte den Mann, Harom Bertholt, als Präsident Jordans Berater für nationale Sicherheit; die Frau war Bertholts Frau, Grace Rennet, eine ehemalige Filmschauspielerin, die früher einmal aktiv die unrechtmäßige Einmischung ihres Landes in den Konflikt zwischen vietnamesischen Nationalisten und den Marionetten des westlichen Kolonialismus verfochten hatte. Anscheinend hatte ihre Ehe mit Bertholt zusammen mit gewissen anderen historischen Ereignissen sowohl ihre Xenophobie als auch ihren fanatischen Antikommunismus gemäßigt. Gut so. Eine solche Person wäre verloren in einer Welt unter der gemeinsamen Regierung jedes legitimen Staatswesens und dem wohlwollenden Auge des Chores von Mira Ceti.
Das Ehepaar war in Begleitung zweier kräftiger Geheimdienstmänner. Sie trugen – taktloserweise, wie Loan fand – die grünen Mützen, die das Kennzeichen ihrer barbarischen Spezialeinheit in dem unglückseligen US-Engagement im vergangenen Krieg gewesen war. In einem Krieg, der vor zehn Jahren zu Ende gegangen war.
Ebenfalls anwesend war der neunjährige Sohn der Bertholts, ›Master Bryerly‹. Loan, selbst Vater, schaute den Jungen zweimal an: Er sah bleich und geprügelt aus, eher wie eine mißhandelte Straßenwaise aus einem Dickens-Roman als wie ein spaßliebender Mississippi-Bengel aus einem Buch von Mark Twain. Master Bryerly preßte eine Leinentasche an die Brust, die ihm anscheinend mindestens so wertvoll wie das eigene Leben war.
»Willkommen, Mr. Sicherheitsberater«, sagte Loan auf englisch und verbeugte sich höflich. »Willkommen, Miss Rennet.« Er wußte, daß so gut wie jede Begrüßung bei dem Jungen verschwendet war.
»Mein Titel ist ein Anachronismus«, sagte Bertholt. »Heutzutage täten Sie besser daran, mich als Berater in Fragen des technischen Fortschritts, nicht in Fragen staatlicher Sicherheit, zu bezeichnen. Leider sind alte Terminologien zählebig.«
Loan wies seine Gäste in die Richtung der weitläufigen Werkshalle. Aber gleich erhob sich ein Problem. Master Bryerly bettelte darum, in Loans Büro bleiben zu dürfen; er wolle lesen. Um dieser antisozialen Grille entgegenzukommen, würde einer der beiden Geheimdienstmänner bei ihm bleiben müssen. Was für eine Schande, dachte Loan. Der Junge würde bei diesem Rundgang so viel mehr lernen als in dem trivialen Lesestoff, den er sich da aus den Vereinigten Staaten mitgebracht hatte, was immer es sein mochte.
Nur einen Augenblick später führte Loan Mr. und Mrs. Bertholt und ihren Leibwächter an den von Fenstern durchbrochenen Edelstahlbottichen vorbei, in denen programmierte Molekular-Assembler-Maschinen, die für das unbewaffnete Auge unsichtbar waren – in einem raffinierten Gemisch aus proteinreichen Flüssigkeiten leichtgewichtige Traktor-, Auto-, Jet- und sogar Raketen-Triebwerke ›wachsen‹ ließen. Rohrleitungslabyrinthe speisten die benötigten Stoffe in diese Bottiche, während wassergekühlte Wärmeaustauscher verhinderten, daß sie zu unberührbaren Glutöfen wurden. Loan besprach sich mit den Technikern, die die Bottiche zu ›speisen‹ hatten, und stellte seine Gäste dann einem der Molekularprogrammierer vor, die die Tagesordnung für die nanotechnologischen Wunder dieser Nacht vorbereitet hatten.
Miss Rennet, das merkte Loan, war fasziniert von den geschmeidigen Gebilden, die hinter den Fenstern in den Bottichen Gestalt annahmen. Sie beobachtete den Formungsvorgang ebenso aufmerksam, wie irgendein Kinofan mit großen Augen zusehen würde, wenn sein Lieblingsstar aus Hollywood auf der Filmleinwand erschien. Und trotz der Tatsache, daß der Chor von Mira Ceti seinem Land diese Technologie als Gratisgeschenk überlassen hatte, verspürte Thi Boi Loan ein tiefes Gefühl von Stolz und Leistung.
»Ich verstehe die Mechanik dieser Sache nicht«, sagte die Frau.
Cao Thu, der Nanoprogrammierer, begann in seiner Muttersprache, auf vietnamesisch, zu erklären, und Loan übersetzte.
»Im Zentrum der Bodenplatte jedes Bottichs sitzt ein unsichtbarer ›Keim‹. Tatsächlich handelt es sich um einen molekülgroßen Computer, der die Konstruktionspläne für den Gegenstand enthält, den die Nanokonstruktoren im jeweiligen Bottich schließlich bauen werden. Diese Molekularkonstruktoren – die Assembler, verstehen Sie? – sitzen an dem ›Keim‹, und der ›Keim‹ übermittelt ihren eingebauten Computern die Informationen, die sie benötigen, um den Gegenstand zu ›generieren‹. Jeder einzelne Assembler in der
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