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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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offiziellen wissenschaftlichen Kontingent an, aber er war auch Marineoffizier und Selenaut. Commander Logan hatte – nicht unvernünftigerweise – darauf bestanden, daß er, wie die anderen, doppelten Dienst tat.
    »Wie meinen Sie das, ›alle sitzen auf Ihnen‹?«
    Sie standen in der Tür zum Eßraum und mußten flüstern, um die Vertraulichkeit der Unterredung zu wahren.
    »Ich bin völlig zugedeckt«, erklärte der Junge. »Ich kann nicht mehr atmen.«
    »Sie müssen mal raus. Ich kenne das Gefühl -«
    »Ich kann nicht raus. Ich habe kaum Zeit zum Essen und zum Schlafen. Und wenn ich wach bin und arbeite, bin ich stets auf dem Sprung für jemand anderen. Alles, was ich tue, Major Vear, entspringt fremdem Willen.«
    »Wie lange sind Sie jetzt hier oben?«
    »Vier Monate. Fast fünf.«
    »Na, das heißt, Sie haben noch sieben vor sich. Das ist eine lange Zeit für einen jungen Menschen, Roland, aber Sie können es durchstehen.«
    »Sie nehmen an, daß meine Probleme gelöst sind, wenn ich nach Hause gehe. Aber dort geht es nur genauso weiter, Major. In mancher Hinsicht und in Anbetracht dessen, wie es früher war, ist es sogar schlimmer.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Verzeihung, Sir, aber es ist wahrscheinlich Ihr Glück, daß Sie es nicht verstehen. Ich kann nur sagen: Hier oben gibt es eine eingebaute, ökologische Notwendigkeit für Tyrannei. Verzeihung, ich meine, für Autoritativismus.«
    »Und zu Hause …?«
    »Entschuldigung. Ich komme schon zwei Minuten zu spät zum Dienst.« Nyby drängte sich an Vear vorbei in den Korridor.
    »Zum Teufel mit Ihrem Dienst. Ich übernehme die Verantwortung für Ihre Verspätung. Wir setzen uns irgendwo hin und bereden diese Sache zu Ende.«
    Nyby zögerte. »Wollen Sie das wirklich auf sich nehmen, Sir? Ich meine, wirklich?«
    Und was hast du geantwortet? ermahnt Vear sich. Nichts. Du hast gezögert, und Nyby, hell, wie der Junge war, hat es gemerkt.
    »Das dachte ich mir. Ich kann’s Ihnen nicht verdenken. Danke, daß Sie sich Sorgen machen, aber ich habe meine eigenen Mittel, Major.« Und er brach das Gespräch ab und meldete sich zum Dienst.
    Zwar ist Vear in den darauf folgenden zwei Wochen noch ein paarmal mit Nyby zusammengestoßen, aber keiner der beiden hat das kurze Gespräch im Eßraum noch einmal erwähnt. Und dann war natürlich die Zeit um, in der man es hätte erwähnen können. Restlos um.
    Bitte, lieber Gott, betet Vear, verzeih mir. Und Roland, wo immer du bist – du verzeihst mir auch, okay? Ich glaube nicht, daß du an irgend etwas geglaubt hast, außer deiner Arbeit und deiner Fähigkeit, das lunare Vakuum und die geringe Gravitation benutzen zu können, um seltsam einzigartige Kristalle zu züchten. Aber wenn du eine Todsünde begangen hast, entweder weil du nicht geglaubt oder weil du das Geschenk des Lebens zurückgewiesen hast, dann müßt ihr beide, du und Gott, demjenigen verzeihen, dessen Zögern vielleicht die Rutschbahn geschmiert hat, deine Rutschbahn … ja, zur Hölle.
    Dieser Gedanke, Anzug hin, Anzug her, PLSS hin, PLSS her, läßt Vear bis ins Mark erglühen. Bitte, Gott, bitte, Roland, betet er: Verzeiht.
    Nach einer Weile legt sich eine Art unbehaglicher Ruhe über den Major. Er studiert die Sterne. Er badet im kalten, blauen Erdenlicht. Er schaut hinaus in den Censorinus, wo nordwestlich von Von Braunville die Solarscheiben stehen, angepflanzt wie ein großer Garten voller Spiegel auf Stelzen. Sie sehen aus wie ein Gemeinschaftswerk von Lewis Carroll und H. G. Wells, und sie liefern die Energie für die Kuppeln und die Energie für die Umwandlung von Plagioklase – CaAl 2 Si 2 O 8 – in brauchbaren Sauerstoff.
    Hier oben ist Vear erhebend allein. »Ich wiiiill allein sein!« schreit er, daß es ihm selbst die Ohren betäubt. Allein, um meine Schuld zu büßen. Allein, um mit Gott zu kommunizieren. Er wünschte, er hätte Nyby ein wenig von dieser Einsamkeit, ein wenig von dieser Ungestörtheit abgeben können. Vielleicht hätte das dem Jungen geholfen. Vorausgesetzt natürlich, der Junge hätte einen Glauben gehabt, der die Momente des Alleinseins zu etwas anderem hätte werden lassen als zu Fallgruben der Einsamkeit, Schlingen für sein Gefühl von Vergeblichkeit.
    Denn man kann das Allein- und Unbekanntsein zu weit treiben. Und das gleiche gilt für das Verlangen nach Ungestörtheit.
    Was hatte Thomas Merton noch über diesen Punkt gesagt? Noch eine seiner scharfsichtigen Beobachtungen. Endlich fällt es Vear wieder ein: »Und

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