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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Gott unbekannt zu sein, das ist denn doch zuviel der Zurückgezogenheit.« Genau. Du willst allein sein, Gelegenheit zum Nachdenken haben, aber du willst nicht, daß dein Rückzug vor den anderen dich der Gesellschaft Gottes beraubt. Das ist nicht Zurückgezogenheit, das ist der Gipfel der Einsamkeit, die absolute Trostlosigkeit. Und unseligerweise ist es vielleicht genau das gewesen, was Nyby im Sumpf des Gedränges und Getriebes von Von Braunville gefunden hat. Wenn nicht schon lange vorher.
    Alles ist 1968 aus den Gleisen geflogen, schließt Vear. O ja, wir haben den Krieg in Vietnam gewonnen und wir kolonisieren den Mond, den Erwartungen aller anderen weit voraus, wenn man die Etatkürzungen bedenkt, mit denen die NASA zwischen 1969 und 1971 zurechtkommen mußte, als dieser beschissene Schlamassel in Vietnam uns fast gezwungen hätte, die Produktion der Saturn V einzustellen, und mein Bruder beinahe seinen Job bei Michoud in New Orleans verloren hätte – aber was haben wir gewonnen außer internationalem Prestige im Wert einer Eiscremewaffel und feste Arbeitsplätze für ein paar tausend Leute, die Raketenstufen und Leit- und Steuereinheiten bauen?
    Mit Star Trek ging es ab ’68 bergab, und seitdem ist es eine Peinlichkeit für die Menschheit. Unsere Verfassung ist zerfetzt, auf unseren Bürgerfreiheiten hat man herumgetrampelt, und wir haben einen Präsidenten, der die Garde am Weißen Haus herumlaufen läßt wie ruritanische Dragoner. Man kommt, schätze ich, ganz gut zurecht, wenn man für die Regierung arbeitet, vor allem fürs Militär, oder als Geschäftsperson mit den richtigen Kontakten, oder wenn man sich als Berühmtheit ein rechtschaffenes Vermögen erworben hat, oder wenn man von King Richard zu einer Staatsaufführung eingeladen wird. Andernfalls ist es besser, zu schuften und in Ärsche zu kriechen oder aber sich weit draußen auf dem Lande zu verstecken, tief im Gebüsch zu bleiben und zu beten, daß die Klopfnichts einen nicht finden.
    Beten. Dazu bin ich hier herausgekommen, denkt Vear, nicht um mich schwarz zu ärgern, indem ich über Nybys fatalen Weltschmerz nachgrüble und darüber, wie es mir gelungen ist, normalen Problemen aus dem Weg zu gehen, indem ich zur Air Force Academy gegangen und dann auf den Mond geflüchtet bin. Trotzdem, ’68 war das Jahr, in dem alles aus dem Gleis flog, und es war auch das Jahr, in dem Thomas Merton starb. Im Dezember. Nach den nationalen Wahlen. Er starb an einem Stromschlag, den er sich mit einem Ventilator versehentlich beibrachte, in einer Hütte bei Bangkok, nach dem Duschen. Er hatte den Fernen Osten bereist und mit dem Dalai Lama und anderen Buddhisten über Mönchstum und Meditation diskutiert.
    Vear hat Mertons Tod – bei einem so suchenden, heiligen Mann – immer als drolligen Varietespaß empfunden, Gottes unwürdig. Aber hier oben, oberhalb von Von Braunville, betrachtet er ihn allmählich als Gnade. Vielleicht hatte der Heilige Geist in den Rotorblättern dieses schadhaften Ventilators herumgewirbelt und seine Gnade über Merton gehaucht, noch als der Ventilator – ein Ventilator, um Himmels willen! – ihm einen Schock versetzte, der ihn bis an die Wurzeln seines Daseins durchfuhr. Inwiefern Gnade? Inwiefern huldvolle Gabe?
    Nun, Merton hatte den guten Kampf gekämpft – für Gerechtigkeit, für den Frieden, zur höheren Ehre Gottes –, und sein Tod im schmerzlich jungen Alter von dreiundfünfzig Jahren hatte ihn der Notwendigkeit enthoben, mitzuerleben, wie Nixon die Grundrechte aushöhlte, und mit welcher lammfrommen Willfährigkeit das amerikanische Volk sich zur Schlachtbank führen ließ. Vear erinnert sich, daß Merton sich in seinem Asiatischen Journal das posthum als Samisdat-Veröffentlichung unter vielen Katholiken die Runde machte, befriedigt darüber äußerte, daß Kentucky in der ’68er Wahl nicht für George Wallace gestimmt hatte, und ungeheuer enttäuscht darüber, daß Herbert Humphrey von Nixon geschlagen worden war.
    »Unser neuer Präsident ist deprimierend«, erklärte er in seinem Journal. »Was kann man von ihm erwarten?«
    Tja, denkt Vear, ich bin froh, daß du die ersten Jahre seiner Regierung nicht mehr erleben mußtest, um es herauszufinden. Wenn dich nicht ein elektrischer Ventilator getötet hätte, dann hättest du es herausgefunden, und du hast die Gnade dieser Slapstick-Hinrichtung durch Stromschlag in Thailand verdient. Und was für eine atemberaubende Gnade – buchstäblich – war das. Atemspendend

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