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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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nicht allzu gut, wie? Mit Ihrer Praxis?«
    Twitchell beugte sich über einen der niedrigen Drahtzäune und versuchte, ein hellmähniges Schweinchen zu streicheln, das zwischen seinen zwitschernden Kumpanen hin und her huschte, um seiner Hand zu entgehen.
    »Sie haben es nicht gern, wenn man sie am Hintern berührt«, rief Grace ihm zu. »Reiben Sie seine Nase. Das mögen sie.«
    Lia überlegte. Will sie mich demütigen? Ich bin für die Sitzung mit ihr hier herausgekommen. Jetzt deutet sie – durchaus zutreffend – an, daß meine Praxis keine tolle Praxis ist. Die unausgesprochene Implikation ist, daß ich ein Mildtätigkeitsfall bin. Sie will sogar, daß ich einen Breschnew-Bären als Geschenk annehme. Vielleicht hat Cal sich so gefühlt, als Mr. Kemmings versuchte, ihm zwei der kleinen Stinker aufzudrängen …
    »Es stimmt, nicht wahr?« Grace blieb beharrlich.
    »Es kommt allmählich in Gang«, antwortete Lia mit zusammengebissenen Zähnen. »Es dauert bloß ein Weilchen.«
    Grace Rinehart musterte Lia, daß sie das Gefühl bekam, ein BH-Träger gucke heraus. Dann sagte sie: »Kommen Sie, junge Dame. Sie und ich, wir fahren nach Columbus.«
    »Nach Columbus?«
    »Na, nach Fort Benning.«
    »Fort Benning?«
    »Genau gesagt, ins Freiheitliche Amerikulturationszentrum.«
    »Aber ich muß zurück nach …«
    »Sie haben mir den ganzen Tag freigehalten, erinnern Sie sich?«
    »Shawanda fährt immer mit mir nach Hause. Sie weiß ja nicht, was …«
    »Wir rufen sie an. Kann sie fahren?«
    »Ja, aber …«
    »Na, dann kann sie mit Ihrem Auto nach Hause fahren. Heute abend, wenn wir von Fort Benning zurückkommen, setze ich Sie zu Hause ab, und sie kann Sie morgen früh abholen.«
    »Aber …«
    »Was? Haben Sie Ihre Autoschlüssel bei sich?«
    »Schon, aber es gibt einen Ersatzschlüssel in der Praxis. Nur …«
    »Das ist doch wundervoll. Lassen Sie’s gut sein. Die Sache ist entschieden.«
    Und sie war es. Unversehens fand Lia sich am Telephon der Berthelots in einem großen weißen Zimmer neben dem Wintergarten.
    Kurz darauf saß sie neben Grace Rinehart in ihrem Cadillac, als dieser den gewundenen Kiesweg hinunterglitt. Hinter ihnen unter dem Portikus – Lia warf einen Blick zurück und sah es – stand Twitchell und hielt einen Breschnew-Bären ans Revers gedrückt. Nachdem er ihnen zum Abschied zugewinkt hatte, klopfte er dem Meerschweinchen auf den Rücken, als wolle er es zu einem Bäuerchen veranlassen. Unterdessen folgte ihnen der zweite Agent, Scarletti, in dem gepanzerten Golfwägelchen zum Tor und fraß dabei den ganzen Weg den Staub, den der Cadillac aufwirbelte.
    Als sie auf dem Highway waren, schob Grace eine Kassette in den Recorder. Es war Jose Feliciano; er sang klagend eine aufgemotzte Version der Sternenbanner-Hymne.

 
    14 Grace Rinehart und ihr Fahrgast erreichten die Außenbezirke von Fort Benning, des weitläufigen Armeestützpunktes südlich von Columbus, gegen zwei Uhr nachmittags. Grace steuerte den Cadillac über die vierspurige Straße auf das Gelände des Stützpunktes, bog unterhalb des Lazaretts ab und fuhr auf der Allee, an der die Wohnung des Kommissars und der PX untergebracht waren, auf eine riesige Enklave zu, deren Gebäude aus der Ära des Zweiten Weltkriegs ein abweisendes, amtliches Aussehen hatten. Irgendein Militärcollege, der Offiziersclub, der Speisesaal der Zeitsoldaten, die Baracken des Quartiermeisters, die Fahrzeughalle.
    Lia kam sich vor, als sei sie in ein fremdes Land gekommen. Selbst als sie inmitten dieser strengen Gebäude einen ›Burger King‹ entdeckte, betrachtete sie ihn, wie sie ein ›McDonald’s‹ im Zentrum von Mexico-City betrachtet hätte – als Anomalie, die die befremdliche Exotik dieses Ortes in keiner wesentlichen Weise behob. Sie war eine Außenseiterin hier, eine Touristin, womöglich sogar eine Gefangene, die hier einem gleichgültigen, bereits siegreichen Feind vorgeführt wurde. Als eine blitzblank polierte Kompanie unter dem munteren Eins-Zwo eines rothaarigen Spießes mit breitkrempigem Hut die Straße heruntermarschiert kam, mußte sie den Drang unterdrücken, sich zu ducken, um nicht gesehen zu werden. Selbst als sie sich klar gemacht hatte, daß die Scheiben zum Schutz vor Spannern getönt waren, konnte sie sich nicht entspannen und die Sehenswürdigkeiten genießen.
    »Was ist los?« fragte Grace.
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, Kasernen machen mich einfach nervös.«
    »Sie sollten Sie beruhigen. Mein Gott, dies ist eine Bastion

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