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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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gedacht«, erklärte Grace. »Es ist ein Mittel – ein zusätzliches Mittel –, sie unserer Gesellschaft zu akkulturieren. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Außerdem haben sie nicht immer dieselbe Kulisse, vor der sie ihre Geschichten austauschen. Wir wechseln den Hintergrund von Woche zu Woche.«
    »Letzte Woche«, sagte Pollard, »war es ein kleinstädtischer Friseursalon. Es war auch schon die Lobby eines Kinos, der Warteraum einer Auspuffreparaturwerkstatt und das Erste-Klasse-Abteil eines 747er Jumbo auf dem Flug von Los Angeles nach Hawaii.«
    »Nicht zu reden von einer Krankenhausstation, dem Innenraum eines Wohnmobils und einem Imbißwagen, der geradewegs aus einem alten Edward-Hopper-Gemälde stammen konnte.«
    Ist das nicht ein Riesenaufwand? dachte Lia. Und kostet es nicht ein Vermögen, diesen überdimensionierten Beichtstuhl jede Woche neu auszustatten? Aber laut sagte sie gar nichts. Ich bin auf die verrückte Teeparty in Grace Rineharts spinnertem Wunderland gestolpert, sagte sie sich, und sie biß sich auf die Zunge, um sich nicht zu verplappern.
    »Wir lassen die Kulisse von den Mitgliedern der Unterstützungsgruppe selbst entwerfen und bauen«, sagte Pollard. »Auch das ist eine Methode, dafür zu sorgen, daß sie sich dem Einfluß erbaulicher Americana aussetzen. Wir beurteilen sie nach der Wahl, die sie treffen, und danach, wie gut sie die Kulissen verwirklichen, die sie dann tatsächlich in Angriff nehmen.«
    »Und woher bekommen diese armen Leute das Geld, um so etwas zu bauen?«
    »Es sind keine ›armen Leute‹, Lia«, erwiderte Grace tadelnd. »Weder im materiellen noch im geistigen Sinn. Einige von ihnen sind bereits recht gut situiert; sie haben eigene Geschäfte oder Dienstleistungsunternehmen gegründet. Die meisten haben ein wirklich kreatives Flair, was ihnen beim Kulissenbau zum Vorteil gereicht. Gelegentlich – um Ihre Frage zu beantworten – verwenden sie eigenes Geld; aber die Freiheitsstiftung bezahlt immer das meiste dessen, was sie brauchen.«
    Als das Klicketi-klacketi klicketi-klacketi des U-Bahn-Tonbands für einen Augenblick nachließ, hörte Lia, wie einer der Männer sagte: »… und so habe ich meine natürliche Abneigung dagegen überwunden, Bier- oder Coladosen aus dem Fenster eines fahrenden Wagens zu werfen.« Alle Mitglieder der Unterstützungsgruppe des Mannes, ob sie einen Sitzplatz innehatten oder sich an eine Stange klammerten, applaudierten für diese Leistung. Alle, bemerkte Lia, bis auf einen jungen Mann, der anscheinend unter einem privaten Schmerz zu leiden hatte.
    »Gehen wir weiter«, sagte Pollard.
    Sie gingen. Lia sah einen Raum, in dem eine kleine Gruppe von Leuten einen Film mit einer Episode von ›I Love Lucy‹ sah. Pollard berichtete, die Studenten hätten schon Folgen von ›Amos and Andy‹, ›Highway Patrol‹, ›The Honeymooners‹, ›Dragnet‹, ›Leave it to Bunny‹, ›Ozzie and Harriet‹, ›Father Knows Best‹ und ›The Andy Griffith Show‹ gesehen oder würden sie später sehen. Todd Turner, der Eigentümer von ›Channel 17‹ in Atlanta, einem Kabelsender, dessen Programm überwiegend aus alten Filmen, alten Fernsehserien und Sportübertragungen bestand, hatte dem FAZ/SO geholfen, viele dieser Serien zu erwerben, und so betrachtete Grace ihn als besonderen Freund der Freiheitsstiftung. Lia bemerkte, daß die beiden, die sich in diesem Zimmer der Amerikulturation unterzogen, taktlos ›ihre Augen ausruhten‹.
    Pollard winkte die beiden Frauen weiter und deutete auf die nächste Tür in diesem Korridor. Hier starrte Lia zu einer schick gekleideten jungen Frau hinein, die ihre Schützlinge anscheinend in verantwortungsbewußtem Verbraucherverhalten unterwies. Von dem Tisch vor ihr nahm sie zwei Dosen Pfirsichhälften in Sirup, die eine ein Markenprodukt, die andere eine No-Name-Konserve. Dann zeigte sie den Schülern eine Designerbox Kleenex und eine bescheidene Schachtel mit schlichten Zellstofftüchern. Nach diesen Demonstrationen betonte sie, daß aufwärts mobile Amerikaner – Benjamin Franklins Ermahnung »Ein Penny gespart ist ein Penny verdient« ungeachtet – sich jederzeit für die statusverleihenden und konjunkturfördernden Markenerzeugnisse entscheiden würden, nicht für die weniger teuren, weniger attraktiven weißen Produkte. Wohlstand ohne Geschmack sei unamerikanisch, adrette Verschwendungssucht hingegen patriotisch.
    »Ich kaufe regelmäßig No-Name-Artikel«, wisperte Lia. »Wenn wir zurechtkommen wollen,

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