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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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bißchen. Erst die Filmkarriere. Jetzt das. Wären Sie nicht deprimiert?«
    Lia antwortete nicht. Als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, erkannte sie, daß die Halle ein Koch- und Speiseraum war. Öfen, Herde, Edelstahlwannen und große hölzerne Fleischerblöcke hockten klobig im Halbdunkel. Dutzende von Klapptischen säumten die Wand zur Straße.
    »Pollard!« rief Grace. »Pollard, Sie haben Besuch!« Das Echo dieses Rufes flog wie ein Pingpongball durch die Halle, daß Lian unwillkürlich den Kopf einzog.
    Ein kleiner, adretter Mann in Zivil erschien in der Mündung eines der hinteren Korridore und kam tappend durch die offene Halle, um sie zu begrüßen. Grace stellte ihn als Ralph C. Pollard vor, den Leiter dieses Zentrums; er schüttelte Lia die Hand mit einer einzigen schlaffen Pumpbewegung. Er hatte einen seidigen Schnurrbart, eine Brille mit Drahtgestell und fünf oder sechs schneeweiße Haarsträhnen über dem einen Ohr in einem ansonsten dunklen, jugendlichen Schopf. Sein Alter konnte irgendwo zwischen fünfundzwanzig und vierzig liegen; nichts an seiner Erscheinung erlaubte Lia eine präzisere Schätzung.
    »Was ist heute los, Pollard?«
    »Das kommt wie immer darauf an, in welchem Raum man sich befindet, Grace«, antwortete er. Anscheinend redete sie den Direktor mit Nachnamen an, auch wenn er sich verpflichtet fühlte, sie beim Vornamen zu nennen. »Wenn Sie mir folgen wollen, meine Damen, dann kann ich Sie herumführen.«
    Lia war froh, die triste Eingangshalle hinter sich lassen zu können. Ob es hier weniger bedrückend war, wenn Lichter glänzten, Töpfe brodelten und Leute an den Tischen saßen, um ihre Mahlzeiten einzunehmen? Natürlich. Es mußte so sein. Wenn sie und Grace gegen Mittag gekommen wären, hätten sie vielleicht einen etwas weniger negativen ersten Eindruck von dem Zentrum gehabt. Nun, Pollard würde sich bemühen, diesen Eindruck umzukehren, und Lia sagte sich, sie müsse ihr Möglichstes tun, ihm dabei zu helfen. Negativismus war tödlich; jedenfalls war er bei Cal der am wenigsten einnehmende Charakterzug.
    Der FAZ-Chef führte sie zu der ersten Tür in dem Gang, aus dem er gekommen war. Lia warf einen Blick in den Raum dahinter und sah, daß er so eingerichtet war, daß er aussah wie das Innere eines U-Bahnwagens; er hatte falsche Fenster, und unmittelbar darüber waren rechteckige Werbetafeln in Metallrahmen geschoben. Kunstledersitze schmiegten sich lückenlos an die Wände des Waggons. Haltestangen vom Boden bis zur Decke verliehen dieser unorthodoxen Einrichtung eine Aura der Authentizität, genau wie die Sprayfarben-Graffiti – die meisten davon unauthentisch mild –, die sich über die Wände und über viele der Werbetafeln kräuselten. Tabakfirmen, Banken, Limonadenfabriken und Autohersteller hatten Werbeflächen gemietet, aber große, alles verdeckende Schmierereien in Dunkelrot, Blau und Ebenholzschwarz machten es unwahrscheinlich, daß die diversen Konzerne ihre Botschaft an den Mann bringen würden.
    Zehn oder zwölf Personen – die aussahen wie Vietnamesen – saßen zusammengesunken oder standen in dem nachgemachten U-Bahnwagen und erzählten ihren Mitpassagieren abwechselnd gute und schlechte Erlebnisse. Lia konnte ihren Unterhaltungen nicht sehr gut folgen – nicht, weil sie Vietnamesisch sprachen, sondern weil Lautsprechereinheiten an beiden Enden des Wagens den Raum mit dem klicketi-klack der U-Bahngeräusche erfüllten. Überdies schien jedermann in dieser unbewegten Einrichtung zu schwanken, als rase sie tatsächlich mit ihnen durch die Katakomben von New York City.
    »Dies ist eine leiterlose Gruppentherapiesitzung«, erklärte Pollard sotto voce, an Lia gewandt. »Jeder Teilnehmer hat hier den gleichen Stand.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Lia. »Ich denke, diejenigen, die sitzen, sind leicht im Vorteil.«
    Pollard schenkte ihr ein mattes, tolerantes Lächeln. »Richtig. Weil dies nämlich ein U-Bahnwagen sein soll. Gut, gut.« Abwesend rüttelte er am Knoten seiner Krawatte. »Ich meinte natürlich, daß jede Person die gleiche Chance hat, sich einzubringen, Probleme anzusprechen, die sie im Zusammenhang mit amerikanischen Sitten und Gebräuchen hatte. Oder sie kann den anderen eine inspirierende Erfolgsstory erzählen. In diesem Teil des FAZ-Programms treffen sich die Mitglieder unserer Unterstützungsgruppen sechs Monate lang einmal in der Woche.«
    »Warum lenken Sie sie mit dieser U-Bahn-Dekoration ab?«
    »Es ist nicht als Ablenkung

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