Dieser Mann macht mich verrückt
verrückt nach ihm, nicht verliebt - ein himmelweiter Unterschied. Übrigens, ich verliebe mich nie.«
Das alles verstand Nita nicht. Blue wollte mit hoch erhobenem Haupt abreisen. Deshalb durfte Dean nicht das geringste Bedauern empfinden, wenn er sich später an sie erinnerte.
Sie führte die alte Frau aus dem Haus. Während sie das Auto im Rückwärtsgang aus der Garage steuerte, überprüfte Nita ihren Lippenstift im Spiegel an der Sonnenblende. »Warum lassen Sie sich von diesem Footballstar aus der Stadt vertreiben? Dafür sollten Sie sich schämen. Sie gehören nach Garrison und sollten bleiben, statt durch die Welt zu gondeln.«
»In dieser Stadt kann ich nichts verdienen.«
»Was ich Ihnen zahlen würde, habe ich schon erwähnt. Viel mehr, als sie mit Ihren albernen kleinen Bildern einnehmen würden.«
»Aber ich male meine albernen kleinen Bilder sehr gern. Die ziehe ich einer qualvollen Sklaverei vor.«
»So, wie Sie mit mir umspringen, versklaven Sie mich«, konterte Nita. »In Ihrer Sturheit merken Sie gar nicht, was für eine goldene Chance Sie verpassen. Ich werde nicht bis in alle Ewigkeit leben. Wie Sie wissen, habe ich sonst niemanden, dem ich was vererben kann.«
»Da Sie zu den Untoten zählen, werden Sie uns alle überleben.«
»Machen Sie nur Ihre dummen Witze! Jedenfalls bin ich ein paar Millionen wert. Jede einzelne könnte eines Tages Ihnen gehören.«
»Ich will Ihre Millionen nicht. Wenn Sie auch nur einen Funken Anstand besäßen, würden Sie Ihr Geld der Stadt vermachen. Was ich will, ist nur weg von Garrison!« Bevor Blue in die Church Street bog, hielt sie vor einem Stoppschild. Sie würden pünktlich zur Party erscheinen. »Denken Sie daran, seien Sie höflich.«
»Nachdem ich bei Arthur Murray gearbeitet habe, weiß ich, wie man sich höflich benimmt.«
»Am besten bewegen Sie einfach nur die Lippen und lassen mich reden.«
Nitas Schnaufen klang beinahe wie ein Lachen. Da merkte Blue, wie sehr sie den alten Drachen vermissen würde. Bei Nita konnte sie einfach sie selbst sein - die alte übellaunige Blue.
So wie bei Dean.
Über der Church Street hing ein Banner voller Ballons mit der Aufschrift: »Alles Gute zum dreiundsiebzigsten Geburtstag, Mrs G.« Wie Dean wusste, war Nita bereits sechsundsiebzig. Zweifellos steckte Blue hinter diesem Täuschungsmanöver.
Etwa hundert Leute hatten sich pflichtbewusst im Park versammelt. In der Brise schwankten noch mehr Ballons, vereint mit roten, weißen und blauen Wimpeln, die von der Feier am 4. Juli übrig geblieben waren. Soeben beendete eine zerlumpte Teenagerband in schwarzen T-Shirts mit passendem Eyeliner eine Punkrock-Version von »Happy Birthday«. Blue hatte Dean erzählt, das sei die Garagenband von Syls Neffen, die einzige Gruppe, die an diesem Tag auftreten wollte.
Im vorderen Teil des Parks, nahe einem kleinen Rosengarten, hatte Nita bereits den Geburtstagskuchen von der Größe eines Sportplatzes angeschnitten. Dean hatte die Festtagsreden verpasst. Aber nach den Mienen aller Anwesenden zu schließen, waren sie nicht sonderlich bemerkenswert gewesen. Über den Büfetts mit Punsch- und Eisteekrügen hingen noch mehr Wimpel. Er sah April und Riley beim Kuchentisch stehen und mit einer gelb gekleideten Frau reden. Als ein paar Einheimische nach ihm riefen, winkte er ihnen. Unentwegt hielt er nach Blue Ausschau.
Der vergangene Tag war einer der schlimmsten und besten seines Lebens gewesen. Erst die schreckliche Diskussion mit Blue; dann das schmerzliche, aber befreiende Gespräch mit Jack; und schließlich der Tanzmarathon mit April. Danach hatte er nicht viel mit seiner Mutter geredet. Es war auch nicht zu einer »verdammten Umarmung« gekommen, wie Jack es ausgedrückt hatte. Aber einiges war anders geworden, das wussten sie beide. Wie sich die neue Beziehung gestalten würde, konnte er noch nicht ahnen. Nur eins stand fest, er musste endlich erwachsen werden und die Frau kennen lernen, in die sich seine Mutter verwandelt hatte.
Wieder einmal schaute er sich im Park um. Doch er entdeckte Blue noch immer nicht. Er musste dringend mit ihr sprechen, irgendwie alles in Ordnung bringen. Nita trug ihren Teller zu einem Sessel, der für sie reserviert war, während Syl und Penny Winters die Kuchenstücke in der Menschenmenge verteilten. Indigniert warf Nita empörte Blicke auf den Leadsänger der Garagenband, der eine durchgeknallte Version von Paul McCartneys »You say it‘s your birthday« zum Besten gab. Riley und die
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