Dieser Mann macht mich verrückt
mitternächtlichen Himmel auf das Farmhaus herab. Nachdem Blue neben dem frisch gestrichenen Stall geparkt hatte, ging sie zur Seitentür und fand sie verschlossen. Auch die Vordertür ... Kalte Angst stieg in ihr auf. War Dean schon abgereist? Aber als sie den Hinterhof erreichte, hörte sie die Hollywoodschaukel auf der Veranda knarren und sah eine breitschultrige Gestalt darauf sitzen. Sie stieg die Stufen hinauf. In seinem Glas klirrten Eiswürfel. Er schaute sie an. Aber er sagte kein Wort.
Unsicher schlang sie ihre Finger ineinander. »Ich habe Nitas Halsband nicht gestohlen.«
»Das habe ich auch nicht vermutet.« Die Schaukel knarrte wieder.
»Was für alle anderen ebenfalls gilt, inklusive Nita.«
Sein Arm lag auf der gepolsterten Lehne. »Keine Ahnung, wie viele deiner Verfassungsrechte verletzt wurden ... Vielleicht solltest du diese Leute verklagen.«
»Das werde ich nicht tun, und Nita weiß es.« Sie ging zu dem kleinen schmiedeeisernen Tisch neben der Hollywoodschaukel.
»An deiner Stelle würde ich ihnen die Hölle heiß machen.«
»Weil du dich dieser Gemeinde nicht so verbunden fühlst wie ich.«
Nun bekam seine Coolness Risse. »Wenn du den Stadtbewohnern so nahe stehst, warum bist du dann davongelaufen?«
»Weil...«
»Ganz klar.« Dean knallte sein Glas auf den Tisch. »Weil du vor allem fliehst, was dir wichtig ist.«
Unfähig, sich zu verteidigen, nickte sie. »Ja, ich bin ein Feigling.« Sie hasste es, ihre Gefühle zu offenbaren. Aber das war Dean. Und sie hatte ihm wehgetan. »Nun, im Lauf der Jahre haben viele gute Menschen für mich gesorgt.«
»Und alle haben dich im Stich gelassen, das weiß ich.« Wie seine Miene verriet, war ihm das egal. Sie ergriff sein Glas, nahm einen großen Schluck und würgte. Normalerweise trank er nichts Stärkeres als Bier. Aber das war Whiskey.
Er stand auf und knipste die neue Stehlampe an. Störte es ihn, in der Dunkelheit mit ihr allein zu sein? Inzwischen waren seine Bartstoppeln sichtlich gewachsen und nicht mehr fashionable. Sein Haar klebte flach am Kopf. Über einen Arm zog sich ein weißer Farbfleck. Trotzdem könnte er immer noch für eine End Zone-Reklame posieren.
»Erstaunlich, dass sie dich rausgelassen haben«, bemerkte er. »So viel ich gehört habe, sollte das erst passieren, wenn Nita nächste Woche diese Papiere unterzeichnet.«
»Genau genommen wurde ich nicht freigelassen, ich bin ausgebrochen.«
Damit weckte sie sein Interesse. »Und was bedeutet das?«
»Wenn ich Chief Wesleys Auto zurückbringe, bevor er morgen seinen Dienst antritt, wird‘s ihm gar nicht auffallen. Unter uns gesagt, er lässt die Dinge ziemlich schleifen.«
Dean riss ihr das Glas aus der Hand. »Also bist du aus dem Knast ausgebrochen? Und du hast einen Streifenwagen gestohlen?«
»So dumm bin ich nun auch wieder nicht. Es ist das Privatauto des Chiefs, ein Buick Lucerne. Und ich hab‘s mir nur ausgeliehen.«
»Ohne ihn zu informieren«, betonte er und nippte an seinem Whiskey.
»Sicher wird ihm das nichts ausmachen.« Plötzlich ärgerte sie sich, weil sie so schlecht behandelt wurde. Sie sank in den Korbsessel gegenüber von der Hollywoodschaukel. »Warum hast du meine Kaution nicht bezahlt?«
»Ganz einfach, weil Wesley fünfzigtausend Dollar verlangt.«
»So viel gibst du für deine Haarpflegemittel aus.«
»Außerdem besteht in deinem Fall erhöhte Fluchtgefahr.«
»Du wolltest morgen nach Chicago fliegen, ohne mich noch mal zu sehen. Du lässt mich hier verrotten.«
»Keine Bange, du wirst nicht verrotten.« Dean setzte sich wieder auf die Hollywoodschaukel. »Gestern Vormittag hat Chief Wesley dich zu diesem Seniorenverein Golden Agers geschickt. Da hast du den alten Leuten gezeigt, wie man mit Ölfarben malt.«
»Das gehört zu seinem Resozialisierungsprogramm.« Die Hände im Schoß gefaltet, fragte sie: »Du warst froh über meine Verhaftung, nicht wahr?«
Langsam nahm er noch einen Schluck Whiskey, als müsste er nachdenken. »Im Grunde spielt‘s keine Rolle, oder? Hätte Nita nicht dazwischengefunkt, wärst du längst verschwunden.«
»Ich wünschte, du hättest mich wenigstens besucht.«
»Bei unserem letzten Gespräch hast du deine Gefühle deutlich bekundet.«
»Davon lässt du dich beeinflussen?« Sie konnte kaum atmen.
»Warum bist du gekommen, Blue?« Seine Stimme klang müde. »Willst du das Messer noch tiefer in die Wunde bohren?«
»Traust du mir das zu?«
»Nun, ich glaube, du hast getan, was du tun musstest.
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