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Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane zu Salm
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nicht mehr. Die ganze Arbeit war dort strenger und straffer organisiert, man musste so viele Steuern zahlen, und dann ging das ja auch schon mit der Arbeitslosigkeit los. Da war ich froh, dass ich die Arbeit in der DDR sicher hatte. Auch wenn es nicht meine Wunscharbeit war, denn ich hätte lieber Schmied gelernt. In dem Bereich konnte man nämlich noch weiterkommen, und die Möglichkeiten dazu waren ja auch gegeben bei uns. Aber damals musste ich meine Familie ernähren und hätte dann erst mal längere Zeit weniger Geld gehabt.
    Heutzutage ist es enorm wichtig, dass man einen anständigen Beruf hat. Denn man sieht ja, wie es denjenigen geht, die keinen Beruf haben, wie wenig die verdienen. Ich habe eigentlich ganz gut verdient, ich bekomme jetzt fast tausendfünfhundert Euro Rente. Ich war auch nie arbeitslos, aber so was gab’s ja bei uns in der DDR auch nicht.
    Eigentlich hätte ich sogar noch dreißig Euro Rente von den Russen dazubekommen sollen (die wurden dann aber gestrichen), weil ich so lange in der russischen Botschaft gearbeitet hatte, bis zu meinem siebenundsechzigsten Lebensjahr. Wenn ich nicht den Hexenschuss gekriegt hätte, wäre ich sogar noch länger da geblieben. Denn ich brauchte dort keine Krankenkasse zu zahlen und konnte den Lohn abzüglich der Lohnste ue r direkt für mich behalten. Aber das ist heute natürlich alles anders.
    Die Arbeit in der Botschaft hatte mir mein Schwager vermittelt. Er war dort Dolmetscher gewesen und eines Tages sagte er: Mensch, du kannst doch bei uns hier anfangen, die suchen einen Kraftfahrer. Das habe ich dann auch gemacht, im Ganzen dreißig Jahre lang. Der Lohn war anständig und die Arbeit ganz schön. Die russische Botschaft war Unter den Linden, und ich musste die Angestellten sowie deren Angehörige fahren. Zur Arbeit hin und zurück, zur Leipziger Messe oder auch am Wochenende in die Schorfheide. Später bin ich auch Omnibus gefahren, eine Zeit lang nur Schulkinder. Und da nn habe ich auch noch eingekauft für die russische Küche.
    Mein Sohn hat sich beruflich nicht so entwickelt, wie ich das wollte. Deshalb haben wir heute auch nicht so einen guten Kontakt, nicht so, wie es sein sollte. Ich wollte, dass er einen anständigen Beruf erlernt, einen, den er später auch ausführen kann. Der Junge hat zwar studiert, aber, wie soll ich das sagen, sein Beruf als Lehrer hat ihm nicht gefallen und in der Politik, wo er hinwollte, hat es dann auch nicht gepasst. Und nachher hat er gar nichts Handfestes gemacht, darüber war ich traurig. Das bisschen, das er jetzt an Rente kriegt. Früher habe ich ihm regelmäßig etwas dazugegeben. Auch für seine Kinder, die jetzt studieren; hoffentlich in dem Fach, das sie später auch ausüben werden, jedenfalls habe ich ihnen das empfohlen.
    In der DDR konnte man schon zufrieden sein. Natürlich blieben viele Wünsche unerfüllt, ich hätte lieber einen VW oder Opel gehabt statt einen Wartburg. Aber Reisen zum Beispiel, die waren nach der Wende auch nicht drin, da hätte mir das viele Geld leidgetan, das ich dafür hätte hinblättern müssen. Aber auch ohne Reisen war ich zufrieden, als Fahrer für die russische Botschaft bin ich ja viel rumgekommen.
    Ich bin stolz darauf, dass ich jetzt schon sechsundneunzig Jahre bin. Und wo ich nun schon so alt bin, würde ich die hundert auch noch gerne erreichen. Denn nach dem Tod kommt sowieso nichts mehr.
    Werner Dörschel, 96 Jahre

Wie soll das alles werden ohne mich
    Wie soll das alles werden ohne mich – ich habe noch so viel zu tun, zu vollenden. Ich mache mir große Sorgen. Um meinen Sohn Heiko, der doch, wie er selber sagt, nie etwas aus eigenem Antrieb hinkriegt. Sondern der immer den Druck des Vaters braucht. Und um meinen jüngeren Sohn Jan, der kurz vor dem Realschulabschluss steht. Wer wird ihm beim Bewerbungsschreiben helfen für eine Ausbildungsstelle? Wer wird ihm gut zureden, dass er es schafft? Wer wird ihm sagen, dass er sich nicht entmutigen lassen soll, selbst wenn es nur Absagen hageln sollte? Wer wird ihm sagen, dass es das Wichtigste im Leben ist, an sich zu glauben? Ja, es ist das Wichtigste. Wer an sich glaubt, gibt nicht auf. Und deswegen setzt er sich auch irgendwann durch. Deswegen übersteht auch schwierige Zeiten, wer an sich glaubt. Das schreibe ich euch hiermit hinter die Ohren, Jungs.
    Denn das habe ich auch immer getan. Daher verdränge ich auch meine furchtbare Angst davor, dass ich sterben werde. Vielmehr glaube ich an mich, an meinen Körper, und

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