Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane zu Salm
Vom Netzwerk:
jetzt nicht mehr auf, dass er alleine Urlaub macht mit seinen Kumpels, zum Motorradfahren oder zum Bergsteigen ohne mich aufbricht. Ich weiß, dass das nichts mit mir zu tun hat, keine Zurückweisung meiner Person ist. Sondern einfach nur, weil er Lust drauf hat, stimmt’s, Hans? Und auch du verstehst mich besser. Zum Beispiel, dass ich nicht dein Besitz bin und du keinen Anspruch auf den gedeckten Tisch zu Hause hast, wenn du von der Schicht heimkommst.
    Kaum, dass wir unsere Ehe nach über zwanzig Jahren gerettet haben, bekam ich diese Krebsdiagnose. Ich habe einen tückischen Hautkrebs, und die Ärzte sagen, ich habe nicht mehr lang. Das war zuerst natürlich ein Riesenschock. Warum ich? Warum jetzt? Wir wollten doch gerade durchstarten ins Leben, nach allem, was wir gelernt haben. Es fühlt sich für mich an, als hätte ich gerade den Führerschein gemacht und werde nach bestandener Prüfung niemals Autofahren dürfen. So liege ich hier zu Hause im Krankenbett statt an einem See in Kanada. Dort wollten Hans und ich nämlich mit einem Reisebus hinfahren. Wir wollten Kanada einmal längs, einmal quer erobern. Es muss so eine schöne Natur dort sein. Wir hatten auch schon gespart dafür. Bis vor zwei Monaten habe ich als Sprechstundenhilfe in einer Zahnarztpraxis gearbeitet. Dabei wird man nicht reich, aber es hat Spaß gemacht. Ich mag es, Menschen zu organisieren, Termine zu machen und hin und her zu schieben und die Leute ein wenig zu trösten, wenn sie nach einer Weisheitszahnoperation mit einer dicken Wange aus dem Behandlungszimmer kommen. Ich mag auch die Routine, die mein Job mit sich bringt. Noch kann ich mir gar nicht vorstellen, dort wohl nie wieder hingehen zu können.
    Die Spuren, die ich hinterlassen möchte, sollen sich alle in Hans wiederfinden. Und all meinen Freundinnen und Freunden möchte ich ein Beispiel dafür gewesen sein, dass es sich lohnt, eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Solange noch ein Funken Liebe da ist, geht es. Aber der muss schon da sein. Manchmal ist er verschüttet von einem Steinbruch aus Alltagsproblemen und muss mit einer Sonde gesucht werden.
    Und auch wenn ich jetzt dieses wiedergefundene Glück nicht mehr werde leben können, so kann ich doch viel besser sterben. Lieber sterbe ich mit fünfzig in einer glücklichen Beziehung, die ich mir mit hohem Einsatz erkämpft habe, als mit achtzig alt und klapprig, einsam und allein. Selbst wenn ich jetzt noch so viel vorhatte. Aber Gott wird schon seinen Plan mit mir gehabt haben, weswegen ich jetzt die Welt verlassen muss.
    Lies das ruhig einer an meinem Grab vor. Ich möchte nicht eingeäschert werden, sondern in einem richtigen Sarg unter die Erde gelassen werden. In so einem Wandschrank für Urnen zu stehen, eine neben der anderen, finde ich schrecklich. Damit assoziiere ich Massentierhaltung, in diesem Falle ist es Massenaschenhaltung.
    Bitte trauert auch nicht zu sehr um mich. Denkt an alle guten Momente, die wir zusammen hatten. Ich bin rund mit mir, das ist doch die Hauptsache. Alles ist okay so, wie es ist.
    Marianne Weber, 50 Jahre, Hautkrebs
    verstorben im Oktober 201*

Wo ist bloß die Zeit hin, und was haben wir denn all die Jahre gemacht, in denen wir unsere Träume geträumt haben, statt sie zu leben?
    Ich bin unendlich wütend. Sauer auf das Leben, sauer auf das Sterbenmüssen. Die Ärzte haben mir gesagt, ich soll langsam Abschied nehmen von meinen Lieben. Man wüsste nie, wie lange es noch geht. Auf Nimmerwiedersehen soll ich sagen? Meinem geliebten Mann und unserem Kind? Wir wollten doch noch so viel zusammen machen. Arno und ich haben immer gesagt, wir wollen mehr als die Hälfte unserer Träume verwirklichen. Ganz oben auf der Liste stand eine Safari in Afrika. Löwen, Elefanten und Büffel in der freien Wildbahn sehen, und mit etwas Glück auch einen Leoparden. Wir haben so viele Bücher angeguckt und Safari-Filme geschaut, aber es ist nicht das Gleiche. Man muss hinfahren. Wir haben uns sogar zu Weihnachten schon Tarnkleidung geschenkt. Die haben wir gleich am Heiligen Abend angezogen, Arno hat dann so getan, als stünde der Tannenbaum mitten in der Wüste, und versteckte sich dahinter. Ich habe mit dem Fernglas nach den wilden Tieren gesucht und so getan, als seien die Schafe und die Ochsen aus der Krippe Wasserbüffel und Impalas. Wir haben so gelacht und uns wie jedes Weihnachten gesagt: Nächstes Jahr machen wir’s!
    Immer kam irgendetwas dazwischen. Einmal war meine Mutter über einen längeren Zeitraum

Weitere Kostenlose Bücher