Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)
daran, dass ich den Krebs besiegen werde. Mental bin ich stark. Und ich war schon immer eine Kämpfernatur. Beruflich habe ich entsprechend viel geschafft– ich sollte eher sagen: geschaffen. Als Bauingenieur habe ich mich mit zwei Studienkollegen relativ früh selbstständig gemacht, und wir haben zehn Jahre lang viele große Aufträge rund um Dortmund an Land gezogen. Nur einmal bin ich über den Tisch gezogen worden, aber daraus habe ich gelernt.
Danach kamen dann nicht so erfolgreiche Jahre, der Markt lief nicht mehr so gut, und ich muss im Rückblick eingestehen, dass wir zu erfolgsverwöhnt waren. Wenn man erfolgreich ist, macht man es sich schnell gemütlich und ruht sich drauf aus. Plötzlich klingelte das Telefon nicht mehr, es kamen so gut wie keine Aufträge mehr rein. Es hat dann auch ein paar Wochen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft eine Konkurrenzfirma angesiedelt hat, die uns preislich stark unterboten hat– bei denselben Leistungen. Ich finde es erschreckend, wie schnell eine Firma den Bach runtergehen kann, wenn man nicht ständig auf der Hut ist. So ist es ja eigentlich auch mit dem Krebs. Von heute auf morgen geht es bergab– und du merkst nichts. Ich will nicht akzeptieren, dass diese Krankheit meinen Tod bedeuten soll, so wie ich auch nicht akzeptiert habe, dass diese Konkurrenzfirma meine Erfolge zunichtemachte. Ich habe mit meinen Partnern gekämpft, und wir haben das Ruder dann auch wieder herumgerissen. Mit Gottes Hilfe.
Ich bin ein zutiefst gläubiger Mensch. Vielleicht weil ich in einem religiösen Haushalt aufgewachsen bin. Meine Eltern waren beide sehr gläubig. Heute traut man sich das ja kaum noch zu sagen: Ich glaube an Gott, und ich gehe regelmäßig in die Kirche. Sogar meine Söhne schämen sich manchmal für mich, wenn ihre Freunde aus der Schule oder aus dem Handballverein zu uns nach Hause kommen und das Kruzifix über der Küchenbank hängen sehen. Weißt du noch, Heiko, wie sauer ich wurde, als du es einmal sogar abgehängt und in der Garage versteckt hast? Es bedeutet mir unendlich viel, gerade jetzt. Nicht nur, weil es ein Erbstück aus der Familie deines Großvaters ist, sondern, weil es mich jeden Morgen demütig und dankbar aus dem Haus schickt. Auch jetzt noch, wo mir die Ärzte noch zwei Monate geben. Ich möchte das nicht glauben. Ich glaube an Gott und daran, dass er mich rettet.
Das hat er bisher immer getan.
Klar, irgendwann muss ich gehen. Aber doch nicht schon jetzt. Es gibt noch so viel zu erleben und so viel zu tun. Zum Beispiel ein Baumhaus auf die große Eiche in unserem Garten bauen. Und nach China reisen. An meinem Grab sollt ihr über mich sagen, dass ich ein Kämpfer war, der mit Gottes Hilfe viel geschaffen hat.
Und dass ich meinen Söhnen darin ein Vorbild gewesen sein möchte. Wenn das gelingt, dann ist mein Leben erfüllt. Aber bitte noch nicht zu Ende. Nicht schon jetzt.
Uwe Behring, 59 Jahre, Darmkrebs
verstorben im April 201*
Ich bin rund mit mir, da s ist doch die Hauptsach e
Über zwanzig Jahre lang kam ich von meinem Ehemann einfach nicht los. Mein Therapeut sagte, ich fühlte mich nicht genug geliebt von ihm. Und ich sagte, er hat mich jahrelang unterdrückt und einverleibt, im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Wahrnehmung sei nur mein Problem, nicht seins, meinte mein Therapeut. Da sehen Sie mal, wofür man heutzutage die Leute bezahlt: nämlich, dass man so was ins Gesicht gesagt kriegt. Wenn mir das meine beste Freundin gesagt hätte, ich wäre ausgerastet. Obwohl es so ein richtiger, wohlmeinender und dann auch noch kostenloser Rat gewesen wäre.
Nun gut. Nach meiner Therapie begann ich also, die Antwort auf alle Eheprobleme in mir selber zu finden, und siehe da, es wurde alles gut. Wir sind immer noch zusammen. Und auf diese Leistung, die ich da erbracht habe, bin ich stolz. Es ist das Beste, was ich in meinem Leben vollbracht habe. Weil ich an mir selber gearbeitet habe. Das ist vielleicht keine Leistung im klassischen Sinne, eine, die man messen könnte oder eine, die nach außen sichtbar ist. Aber es ist eine sehr gute menschliche Leistung, finde ich. Denn jetzt weiß ich, dass wir bis zu meinem Lebensende, das in großen Schritten naht, zusammenbleiben werden. Dass der Hans mir meine Hand halten wird, wenn es so weit ist.
Ich habe mich noch mal richtig neu in Hans verliebt. Ja, das geht! Ich sehe ihn jetzt mit ganz anderen Augen. Ich verstehe seine Bedürfnisse besser. Es regt mich
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