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Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane zu Salm
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also ich meine damit, dass wir uns gegenseitig gut beraten haben, ob der jeweilige Mann zu uns passt und ob er als Vater unserer Kinder taugen würde. Kinder waren schon ganz früh das Dauerthema zwischen uns. Wir haben so viele Eltern beobachtet, wie sie ihre Kinder erziehen. Und dann haben wir immer gesagt: Ja, wenn wir erst mal Kinder haben, dann machen wir es ganz anders. Dann machen wir es perfekt. Unsere Kinder werden anständig bei Tisch sitzen, werden keine verschmierten Schnupfnasen haben und werden im Restaurant oder auf der Straße auch nicht herumschreien. Sie werden sonntags ruhig und brav in der Kirche sitzen.
    Ina wurde drei Jahre vor mir erstmals Mutter. Schon mit dem Säugling ging sie ganz anders um, als ich es später tat. Wie schnell wir dann in Streitereien gerieten über Kleinigkeiten, meine Güte. Über das Stillen. Über die richtige Kleinkindnahrung. Über den Sinn oder Unsinn musikalischer Früherziehung. Darüber, ob es richtig ist, sich als Mutter in Kinderstreitereien auf dem Spielplatz einzumischen oder nicht– wenn das eigene Kind dem anderen Eimer und Schaufel weggenommen hatte. Und unterschwellig, nie haben wir es ausgesprochen, aber es war deutlich fühlbar, ging es natürlich darum, ob Inas oder meine Kinder zuerst laufen, sprechen und bis zwanzig zählen konnten.
    Ina und ich haben seit zwanzig Jahren nicht mehr miteinander gesprochen. Im Rückblick bin ich traurig. Traurig darüber, dass wir unsere Freundschaft haben auseinanderbrechen lassen wegen unserer Vorstellungen über Kinder. Wir hatten eine wirklich gute Freundschaft, bevor wir Kinder hatten. Zwischen uns passte kein Löschblatt.
    Franziska Alois, 47 Jahre, Krebs
    verstorben im Dezember 201*

Der große rote Faden in meinem Leben hi eß bish er Einsamkeit
    Ich habe Krebs, einen inoperablen Tumor, wie sie sagen. Dass mein Ende absehbar geworden ist, das jagt mir keine Angst ein. Ich bin zwar nicht gerade resigniert, aber habe doch das Gefühl, dass es relativ egal ist, ob es mich gegeben haben wird oder nicht. Ich hinterlasse nicht viel, das bleiben könnte. Ein Leben nach dem Tod kann ich mir nicht vorstellen, und so habe ich in diese Richtung weder Hoffnungen noch Befürchtungen.
    Der große rote Faden in meinem Leben hieß bisher Einsamkeit. Ich war irgendwie immer Außenseiter, konnte nie so richtig Anschluss finden, also echten Anschluss im Sinne von Nähe zu Menschen. Selbst in meiner Ehe nicht, Margot weiß das. Ich habe ihr das auch immer ehrlich gesagt, dass meine Sehnsucht unendlich groß ist, von wenigstens nur einem einzigen Menschen verstanden zu werden. Diese Sehnsucht hat mein ganzes Leben geprägt. Aber schon in der Schule hat das nie geklappt. In der Fußballmannschaft sind sie nach dem Training was trinken gegangen, ohne mich. Auf Klassenfahrten bekam ich immer das letzte Bett im großen Schlafraum, das noch übrig war, und es hat auch nie jemand auf mich gewartet, wenn die Zeit drängte. Mir hat auch nie jemand was mitgebracht oder mir die Hausaufgaben gegeben, wenn ich krank war. Es rief auch nie jemand an. Ich habe das alles genau beobachtet, und meine Eltern haben gesagt: Mach dir nichts draus, Junge, du bist halt anders. Du brauchst das nicht so, dass die anderen dich mögen. Hauptsache, du fühlst dich wohl in deiner Haut. Das habe ich aber nie so richtig getan. Umgekehrt habe ich so viel reingebuttert, war immer hilfsbereit, habe mich immer angeboten, wenn man mal jemandem unter die Arme greifen musste, sei es, beim Peter ein Regal anzubringen oder so was. Habe auch mal mein Auto hergeliehen, so kleine Sachen halt. Es heißt doch immer: Geben und Nehmen gleichen sich aus, und zum Helfen sind Freunde da.
    Ich habe mich dann schon ganz gut durchs Leben geschlagen, was soll man auch sonst machen. Ein paar Freunde habe ich in der Ausbildung gefunden, auch wenn ich genau weiß, dass sie nie für mich da wären, wenn es brennt. Da bin ich mir ganz sicher. Ob das dann wirkliche Freunde sind, diese Frage habe ich mir oft gestellt. Wenn es dem einen schon zu mühsam ist, mir etwas vom Baumarkt mitzubringen, weil er keine Zeit hat, wie soll er dann erst für mich da sein, wenn es drauf ankommt? Margot hat dann immer gesagt, kleine Gefallen haben mit großen nichts zu tun. Na ja. Den großen Gefallen, hier an meinem Sterbebett vorbeizuschauen, den hat er mir jedenfalls noch nicht getan. Ich möchte jetzt keinen Namen nennen, damit er das an meinem Grab mit sich selber ausmachen kann.
    Vielleicht waren auch

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