Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
warf, bestätigte das meine Vermutung: Es war ein zweiseitiger Ofen, der
in beiden Räumen eine Öffnung hatte, und dahinter erspähte ich einen Teil eines
Eßtisches und Stühle.
    Ich schaute mich um, trotz der
Unordnung war der Raum schön. Wie es wohl wäre — überlegte ich mir — , ein
solches Anwesen zu besitzen? Wie fühlte sich jemand wie Vicky — eine Frau, die
keiner bezahlten Arbeit nachging, eine Haushaltshilfe hatte, die
(normalerweise) Erdnußschalen und Katzenspreu aufsaugte? Eine Frau, die von
einem erfolgreichen Ehemann unterhalten wurde und sich für die Dinge einsetzen
konnte, für die sie sich interessierte?
    Meine Überlegungen waren eher
spekulativ, ich war nicht neidisch. Ich hatte mit Vickys Lebensstil kaum
Erfahrung, und er erschien mir auch nicht wirklich erstrebenswert.
    Ich war mir auch nicht sicher, was ich
von Vickys Aktivitäten halten sollte. Sie hatte in den letzten Jahren gute und
schlechte Kritiken geerntet. Ihre Gegner nannten ihre Aktionen »NIMBYismn« — ein
Akronym für »Not in my back yard«. Sie behaupteten, daß die NIMBYs aus purem
Eigennutz handelten, weil ihre Lobbyisten bei Genehmigungsbehörden und
Planungskommissionen Bestimmungen durchdrückten, durch die ihre Wohnviertel für
Angehörige unterer Einkommensklassen unerschwinglich wurden. Man warf ihnen
vor, daß es ihnen im Grunde nur um Wahrung ihrer Immobilienwerte gehe. Und
einige Aktionen waren sicher Ausdruck reinen Elitedenkens. So hatte man
kürzlich durch einen Volksentscheid den Bau einer Wohnanlage für ältere und
behinderte Mitbürger verhindert. Dieses Projekt hätte einige Anwohner um ihren
Meeresblick gebracht.
    Andererseits setzten sie sich für mehr
Lebensqualität ein. Sie bemühten sich, eine zu dichte Bebauung und Parkplatznot
zu verhindern und Freiflächen für das ökologische Gleichgewicht zu bewahren.
Sie kämpften dagegen an, daß kleine Einzelhändler von großen Handelsketten
verdrängt und erschwingliche Mietwohnungen von Konzernen oder Immobilienfirmen
verschlungen wurden. Sie waren einsatzfreudig, oft sogar kämpferisch, und
schienen im Moment wie Pilze aus dem Boden zu schießen.
    Während Vicky in der Küche herumkramte,
nahm ich mir vor, zu erklären, daß ich mit den NIMBYs sympathisiere, falls sie
mich fragte. Als Hausbesitzerin — mein kleines Erdbebenhäuschen war mein
einziger Vermögenswert die dreißig Prozent ihres Bruttoeinkommens für
Hypothekenzahlungen aufwendet, will ich schließlich nicht, daß der Wert meiner
Immobilie sinkt und meine Lebensqualität schwindet.
    Dennoch fühlte ich mich mit dem NIMBYismus
nicht ganz wohl und hatte mich unlängst vor einer Anwohnerbesprechung gedrückt.
Aber das war typisch für mich: In den sechziger Jahren habe ich auch sehr viel
gegen den Vietnamkrieg geredet, aber nur selten an Protestdemonstrationen
teilgenommen. Nun hoffte ich einfach, daß jemand anders sich schon um den Wert
meines Eigentums kümmern werde. Ich war nicht stolz auf mich, aber ich hatte
wenig Hoffnung, mich zu ändern.
    Vicky brachte zwei große Ballongläser
mit einer blaßrosa Flüssigkeit herein. »Wir haben keinen Weißwein mehr«, sagte
sie. »Ich hoffe, Sie mögen Rosé. Er ist ziemlich gut, aber ich kann Ihnen die
Marke nicht nennen. Gerry wüßte den Namen.« Sie stellte mein Glas vor mich auf
die gläserne Tischplatte. Ich bemerkte Flecken am Rand des Glases — wahrscheinlich
diese »unansehnlichen Stellen«, über die in den Werbespots für Spülmittel immer
geklagt wird.
    »Danke. Ich mag Rosé«, sagte ich.
    Vicky ließ sich auf der anderen Seite
des Sofas nieder. Wenn sie ernst war, zeigten sich zwischen ihren Augenbrauen
tiefe Furchen, und sie verzog ihre Mundwinkel, so daß ihre Lippen wie eine
verblühte Rosenknospe aussahen. Mit ihrem Alice-im-Wunderland-Haar und ihrem
runden, vollen Gesicht hatte diese Eigenart früher anziehend gewirkt; jetzt,
mit ihrer struppigen, fettigen Dauerwelle und den hageren Gesichtszügen, sah
sie aus, als ob sie verzweifelt versuchte, etwas zu verstehen.
    Ich nippte an meinem Wein. Er war
wirklich gut.
    »Ständig diese neuen Sachen. Neue
Stile, neue Weine, neue Musik. Meine Kinder kennen sich da aus. Ich kenne nicht
einmal die Namen der Sänger und verstehe auch nicht, warum man sich solche
Musik überhaupt anhören sollte. Oder die kalifornische Küche, zum Beispiel: Ist
Pastasalat immer noch in oder schon wieder out? Oder Jogging? Oder östliche
Religionen? Und die neue Nüchternheit. Ich habe mich gerade erst

Weitere Kostenlose Bücher