Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
größte der »Schlösser«, ein einstöckiges Gebäude mit Türmen auf jeder
Seite. Von hier aus wirkte es weniger eindrucksvoll als von der Straße her; die
Türmchen waren zu hoch, und der Mittelteil war zu gedrungen; es sah irgendwie
unproportioniert aus. Eine metallbeschlagene Holztür, die dem Tor ähnelte, war
in einen vorgebauten Eingangsbereich zurückgesetzt; ich klopfte und trat ein.
    Der Eingang war mit Schiefer ausgelegt,
und von dort führten zwei Stufen in ein Wohnzimmer hinunter. Ich hatte mir
nicht vorzustellen versucht, wie das Schloß wohl innen aussehen mochte. Aber
diesen Anblick hatte ich nicht erwartet. Das Dekor des Raumes war ultramodern,
eine Wand ganz aus Glas öffnete den Blick auf einen symmetrisch angelegten
Garten, mit Blick auf zwei der anderen Schlößchen. Die Möbel in Weiß und Braun
mit hellgrünen Akzenten, aus Metall, Glas und Leder und mit vielen scharfen
Winkeln und in — nach meinem Geschmack — verrückten Formen. Der Teppich war
schokoladenbraun, so daß man jede Staubfluse sah. Und nicht nur Staubflusen:
Erdnußschalen bedeckten den Boden vor dem Sofa; Asche bildete einen grauen
Halbkreis vor dem Kamin; in einer Ecke lag etwas, das aussah wie Sägespäne — bis
ich den Kratzbaum entdeckte. Dann erkannte ich die Katzenminze und entdeckte
das Tier, das sich daran gütlich getan hatte — eine fette Siamkatze, die sich
unten am Kratzbaum zusammengerollt hatte und in einen betäubten Schlaf gefallen
war. Die Katze war so benebelt, daß sie ihre Schnauze in dem tiefen Teppich
vergraben hatte; die Farben paßten perfekt zusammen. In der Ecke hinter dem
Baum lag ein hoher Stapel gefalteter weißer Tüten. Obenauf lag eine offene
Tüte, deren rote Aufschrift verkündete: »ICH HABE IN DER NACHBARSCHAFT
EINGEKAUFT!«
    »Sharon, es freut mich, Sie
wiederzusehen!«
    Das war Vicky Cushmans Stimme, die vom
Kamin herkam. Ich drehte mich um und erlebte die nächste Überraschung.
    Vicky schaute nicht mehr wie das
hübsche High-School-Mädchen aus. Sie hatte ihr taillenlanges Haar abschneiden
und in Dauerwellen legen lassen. Aber es war eine schlechte Dauerwelle — die
Locken waren zu schwach und zu lang. Außerdem schienen die Haare schon eine
Weile nicht mehr gewaschen worden zu sein. Sie hatte auch Gewicht verloren, sie
war knochig, ihr Gesicht wirkte hager. Sie trug ein Baumwollkleid in staubigem
Rosa; das Oberteil wurde statt mit einem Knopf mit einer Sicherheitsnadel
zusammengehalten. Es hatte einige unidentifizierbare Flecken. Der Saum des
Kleides war hinten aufgerissen und hing fast bis zu ihren bloßen Fersen herab.
Vickys Stimme aber war so fröhlich und warm, wie ich sie in Erinnerung hatte.
Ich nahm an, daß ich sie nur in einem schlechten Moment erwischt hatte.
    »Ich freue mich auch, Sie zu sehen.
Aber ich hätte vorher anrufen sollen.«
    »Unsinn.« Sie ging zum Sofa, auf dem
sich Zeitungen türmten, schob sie auf den Boden auf die Erdnußschalen und bot
mir einen Platz an. »Ich weiß, hier herrscht ein schreckliches Durcheinander,
aber ich habe viel um die Ohren, und die verdammte Haushaltshilfe ist nicht
aufgetaucht, und die Kinder sind gerade von meiner Mutter zurückgekommen — also,
wollen Sie etwas trinken? Oder einen Joint? Was nehmen Sie denn — Alkohol oder
Rauschgift? Oh, ja, ich erinnere mich — Sie haben den Punsch gemacht.«
    Ich nahm an, daß sie plapperte, weil es
ihr peinlich war, daß ich sie in einem solchen Zustand angetroffen hatte. Ich
sagte: »Eigentlich habe nicht ich ihn gemacht. Ich habe Hank Zahn das Rezept
gegeben, und er hat all die gefährlichen Zutaten verdoppelt. Aber wenn Sie
Weißwein hätten, würde ich gerne ein Glas trinken.«
    »Ich auch. Ich habe den ganzen Tag
telefoniert. Wir sind am Organisieren, Sie haben es wahrscheinlich in der Chron gelesen. Die Uni muß gebremst werden, sie breitet sich immer weiter aus. Und
dann muß ich mich darum kümmern, wie das Projekt läuft, wo früher die Poly
High-School war, und dann der Kampf gegen die Handelsketten.« Sie winkte in
Richtung der rot-weißen Einkaufstüten. »Das ist unsere neueste Idee. Die sind
gerade aus der Druckerei gekommen. Die Händler hier im Viertel werden sie
auslegen. Ich hole unsere Drinks, bin gleich wieder da. Entspannen Sie sich,
lassen Sie es sich gutgehen.«
    Sie verschwand durch den Türbogen,
durch den sie hereingekommen war. Ich schaute dort hinüber und schloß aus dem
gefliesten Boden, daß dort die Küche sein müsse. Als ich einen Blick auf den
Kamin

Weitere Kostenlose Bücher