Dieser Sonntag hat's in sich
an Kokain
gewöhnt. Ich weiß nicht, ich komme nicht mehr viel raus. Zumindest nicht in die
— wie Gerry es ausdrückt — richtigen Kreise. Und wenn, dann weiß ich nicht, was
ich mit diesen Leuten reden soll. Ich bemühe mich zu verhindern, daß
Supermarktketten und Konzerne und die verdammte Uni mein Viertel völlig
kaputtmachen, und die reden über exotische Variationen von grünem Salat. Oder
ist Designersalat jetzt auch schon out? Vielleicht war das im letzten Jahr...«
Ich wußte, was sie meinte. Aber im
Gegensatz zu ihr ist es mir schnurzegal, was in oder out ist. Und ich traf mich
auch nicht mit Leuten, denen so was wichtig war.
Vicky setzte ihr Glas ab und griff in
eine mit Schnitzereien verzierte Elfenbeindose auf dem Tisch. Sie nahm einen
Joint heraus und fragte: »Rauchen Sie?«
»Nein, nicht mehr. Meine Droge ist der
Alkohol.«
»Stört es Sie, wenn ich rauche?«
»Nein, warum?«
Sie nickte, schaute mich wieder
schrecklich ernst an und zündete den Joint an. »Das ist nett«, sagte sie,
nachdem sie den Rauch inhaliert und wieder ausgeatmet hatte. »Heutzutage
scheinen sich die Leute an allem zu stören — ganz gleich, was man tut. Ich kann
es nicht ändern, das sage ich auch Gerry. Bei all den Sachen, die ich um die
Ohren habe, und bei der ganzen Verantwortung werde ich so nervös. Diese Frau,
die für mich arbeitet, sagt, ich sollte mir ein Hobby zulegen — etwas
Entspannendes, bei dem ich mit meinen Gedanken allein sein könne. Aber meine
Gedanken — mein Gott, wenn ich darüber nachdenke, was alles so vor sich geht,
werde ich erst recht nervös.«
Sie machte mich ganz nervös. Ich fragte
mich, ob sie schon immer so war oder ob irgend etwas schiefgelaufen war, seit
ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Bei den Festen von All Souls war sie mir
überdreht erschienen, aber auch nicht mehr als die meisten unserer Mitarbeiter.
Sie war mit Sicherheit nicht so zappelig und kurz vor dem Zusammenbruch
gewesen.
Ich beschloß, meine Fragen zu stellen
und mich wieder aus dem Staub zu machen. »Vicky«, sagte ich, »ich brauche Ihre
Hilfe.«
Sie atmete den Rauch aus. »Ja, sicher.
Worum geht es?«
Ich erklärte ihr alles, so wie ich es
geplant hatte: Rudy Goldrings Tod, erzählte ihr von der Frau, die davongelaufen
war, von dem Autokennzeichen und daß ich sicherstellen wollte, daß die Frau in
Ordnung war. Vicky hörte zu, nickte und saugte an ihrem Joint. Als ich fertig
war, hatte sie ausgeraucht und legte die Kippe in einen Aschenbecher.
»Sharon«, sagte sie mit jetzt sanfter
Stimme. »Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich der Polizei schon erzählt habe.
Es ist mein Auto und mein Kennzeichen, aber ich hatte während der fraglichen
Zeit hier in meinem Wohnzimmer eine Besprechung meines Ausschusses in der Sache
gegen die Uni. Das Auto stand in der Einfahrt.«
Ich schaute durch die Glaswand; von
hier aus sah man keine Einfahrt und kein Auto. »Ich verstehe nicht, wie Sie es
von hier aus sehen konnten.«
»Das konnte ich auch nicht, aber die
Garage ist innerhalb der Anlage, und Autos können nur durch das Tor herein-
oder hinausfahren. Es wird von einer elektrischen Schließanlage gesteuert, die
nur Gerry und ich in Betrieb nehmen können.«
Die Frau, der ich bei Rudy Goldring
begegnet war, hatte auf mich nicht wie eine Kriminelle gewirkt, aber trotzdem
fragte ich: »Könnte jemand über die Mauer klettern und die Anlage betätigen?«
»Keinesfalls. Die Mauer ist verkabelt,
wie auch der Rest des Grundstücks. Gerry bestand auf einem sehr guten
Alarmsystem, und es ist immer in Betrieb. Gerry ist sehr auf Sicherheit bedacht.
Ich mußte sogar schießen lernen. Wir haben eine .22er in unserem Schlafzimmer;
ich finde das schrecklich. Aber das ist alles wegen des Ärgers, den wir mit
diesen verdammten Hausbesetzern hatten. Sie versuchten noch zwei Jahre, nachdem wir eingezogen waren, in das Haus einzudringen...«
»Mami, wir sind wieder da! Dürfen
wir...«
»Betsy, Liebling!« Vicky drehte sich in
Richtung Eingang. Freude vertrieb die Furchen aus ihrem Gesicht.
Auch ich wandte mich um. Ein etwa zehn
Jahre altes Mädchen stand da. Sie war für ihr Alter groß und stämmig. Ihr Haar
war blond und glatt, wie das von Vicky vor ihrer schrecklichen Dauerwelle, aber
es war in Schulterhöhe abgeschnitten worden; ihre Himmelfahrtsnase und die
Augen mit den dichten Wimpern erinnerten auch an Vicky, aber das Kinn des
Mädchens war stark und eckig — wie Gerrys? Ja, wie Gerrys.
»Mami, hör mal«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher