Dieser Sonntag hat's in sich
Lebensrhythmus da unten
ist viel schneller und... so fremd. Da habe ich an Rudy gedacht und ihn
angerufen. Er hat mir die Stelle bei den Cushmans verschafft.«
»Woher wußten Sie, daß Frank am
Wochenende immer in die Stadt kam?«
»Von einer Freundin, die in einer
kleinen Baumschule in Inner Sunset arbeitet. Frank ist eines Sonntags dort
aufgetaucht und hat nach mir gefragt. Sein Verhalten hat sie nervös gemacht,
sie hat ihn vertröstet und gesagt, daß einer ihrer Kollegen mich vielleicht
kannte, und hat ihn gefragt, wo sie ihn erreichen könnte. Er hat ihr eine
Telefonnummer aufgeschrieben, die sie mir gab. So habe ich von dem Motel an der
Lombard Street erfahren.«
»Und dann haben Sie Gerry Cushman
gebeten, weitere Nachforschungen anzustellen.«
»Ja, Gerry hat von dem Mann an der
Rezeption erfahren, wie Franks Zeitplan während dieser Aufenthalte aussah. Ich
hatte Angst vor ihm, und ich wollte feststellen, in welcher Stimmung er war.
Deshalb habe ich Rudy gebeten, einen Detektiv zu beauftragen. Ich konnte weder
Gerry noch Vicky um diesen Gefallen bitten — die Spur hätte ihn möglicherweise
direkt zu mir geführt.«
Es überraschte mich, wie alle sich
Irenes Wünschen fügten. Es ärgerte mich auch, wie sie sich durchschlug, ohne
selbst die Initiative zu ergreifen, wie sie immer andere für ihre Zwecke
einspannte.
Sie muß meine Reaktion gespürt haben,
denn sie schaute wieder auf ihre Hände. Als eine Träne auf ihre weißen Gelenke
fiel, merkte ich, daß sie weinte. »Ich werde mir nie verzeihen, daß ich Rudy da
hineingezogen habe«, sagte sie. »Ich sollte Montag am späten Nachmittag
vorbeikommen. Er meinte, er habe bis dahin Ihren Bericht, und dann könnten wir
alles weitere entscheiden. Aber als ich in seiner Wohnung eintraf...«
Ich hätte wohl Mitleid mit ihr haben
sollen, aber ich dachte daran, wie unbehaglich sich Rudy Goldring gefühlt
hatte, als er mich anlügen mußte. Und das Bild des alten Mannes, der auf dem
Küchenboden in seinem Blut lag, stand noch zu deutlich vor meinen Augen.
»Wollen Sie meinen Bericht jetzt hören?« fragte ich.
Sie schaute wieder auf, mit
tränennassem Gesicht, verletzt und vorwurfsvoll.
Ich wartete ihre Antwort nicht ab.
»Frank hat in mehr als einer Baumschule nach Ihnen gefragt. Er hat Ihre Karte
an Jane wohl falsch gedeutet und angenommen, daß Sie im Gartenbau tätig wären.«
Ich berichtete kurz, was ich an jenem Sonntag herausgefunden hatte.
Als ich fertig war, schüttelte sie den
Kopf. »Wie konnte er nur annehmen, mich auf diese Weise finden zu können? Ich
war noch nie bei diesem Pflanzenverkauf oder auf dem Blumenmarkt. Von vielen
dieser Gartencenter habe ich noch nie gehört. Und das Konservatorium — da bin
ich immer hingegangen, wenn ich in der Stadt auf Besuch war, aber seit ich bei
den Cushmans wohne, war ich nie mehr dort.«
»Vielleicht wollte er sein Glück so
lange versuchen, bis er eine Spur fand. Das ist das Wesen der Detektivarbeit:
eine Menge langweiliger Beinarbeit für ein paar kleine Informationen.«
»Darum wollte er die Information
schließlich gewaltsam aus Rudy herausholen.«
»Sie glauben, daß er Rudy getötet hat?«
»Ja.«
Diese Annahme interessierte mich. »Wie
hätte er Sie beide miteinander in Verbindung bringen können?«
»Darüber habe ich auch schon
nachgedacht, und mir sind nur meine Briefe eingefallen. Ich habe die Burning
Oak Ranch so überstürzt verlassen, daß ich meine Erinnerungen nicht mitnehmen
oder vernichten konnte. In einer Kiste auf dem Dachboden des Ranchhauses waren
Briefe, Weihnachtsgrüße und Geburtstagskarten von Rudy.«
»Wie hätte Frank da herankommen
können?«
»Er hätte wohl einen Weg gefunden. Er
kam sicher am Montag zu Rudy in die Wohnung, um ihn zu zwingen, meinen
Aufenthaltsort preiszugeben. Frank ist jähzornig...«
»Irene, Frank hat Rudy nicht ermordet.«
»Was?«
»Er war auf der Ranch bei der Arbeit,
als Rudy starb.«
»Aber wer...?«
»Ich weiß es nicht.«
»O Gott, das macht alles noch
schlimmer...«
Eine Kinderstimme rief unsere Namen.
Ich schaute auf den See hinaus und sah Lindy und Betsy, die uns von ihrem
rotweißen Paddelboot aus zuwinkten.
»Wir machen uns besser auf den Rückweg«,
sagte Irene.
Ich blieb sitzen, weil ich noch
weiterreden wollte, weil ich sie noch nach ihrem Verhältnis zu Gerry Cushman
und der von Vicky vermuteten Liebesaffäre fragen wollte. Aber sie schien mich
möglichst schnell loswerden zu wollen, und ich wollte unsere etwas
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