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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ist. Wenn ich mich in meine Arbeit hineinknie, kann
ich ihm nicht mehr genug Aufmerksamkeit schenken. Du siehst ja, was er gemacht
hat, als ich anfing, mehr Verantwortung zu übernehmen.«
    Rae zuliebe verzichtete ich darauf, ihr
zu sagen, was ich von Dougs Taktik hielt.
    Sie fügte hinzu: »Was ist, wenn er das
nächste Mal Erfolg hat?«
    Ich überlegte lange, bis ich
antwortete, und wählte meine Worte sorgfältig. »Viele Menschen wollen mit einem
Selbstmordversuch nur auf sich aufmerksam machen. Du weißt das aus deinen
Psychologiekursen. Ich sage nicht, daß du Dougs Selbstmordversuch auf die
leichte Schulter nehmen solltest; jeder Akt der Selbstzerstörung ist ernst zu
nehmen. Aber ich glaube, du solltest keine Entscheidung über deine Arbeit
treffen, bevor du nicht mehr über seine psychische Verfassung weißt. Sind die
Untersuchungen schon abgeschlossen?«
    »Ich soll heute nachmittag mit den
Psychiatern sprechen.«
    »Nun, dann warte ab, was sie sagen. Sie
werden vermutlich irgendeine Therapie empfehlen, vielleicht kannst du auch daran
teilnehmen. Das könnte deine Entscheidung sehr beeinflussen.«
    »Aber in der Zwischenzeit laß’ ich dich
hängen...«
    »Mach dir um mich keine Sorgen. Bevor
du kamst, habe ich die Arbeit hier jahrelang allein gemacht. Ich werde noch ein
Weilchen durchhalten.« Während ich das sagte, warf ich einen nervösen Blick auf
den Stapel Akten auf meinem Schreibtisch; ich wußte, daß da noch mehr waren;
außerdem lagen in Raes Eingangskasten unten noch ein Dutzend Dokumente, die
eingereicht werden mußten.
    »Danke.«
    »Kein Problem. Aber triff keine
überstürzten Entscheidungen.«
    Der Vormittag verging langsam, während
ich Berichte schrieb und Korrespondenz erledigte. Ich schaute immer wieder auf
die Uhr und fragte mich, warum Irene nicht anrief. Jedesmal, wenn der Knopf an
meinem Telefon aufleuchtete, hoffte ich, daß sie es wäre. Aber es waren nur
Routineanfragen, die ich meist schnell erledigen konnte. Als Hank kurz nach elf
anrief, erzählte ich ihm von Raes Problemen und fragte ihn, ob jemand anders
mir helfen könnte. Er versprach, sich darum zu kümmern und zur Not selbst
einzuspringen. Dann sagte er wehmütig: »Du hast sicher keine Zeit, mit mir zu
Mittag zu essen?«
    Ich zögerte und schaute auf meinen
Papierkram.
    »Wir kommen überhaupt nicht mehr dazu,
mal miteinander zu reden«, fügte er hinzu.
    Ich stieß meinen Stuhl zurück und
drehte mich herum, so daß ich den Schreibtisch nicht mehr im Blick hatte. »So
beschäftigt bin ich nun auch wieder nicht. Aber laß uns rausgehen — ich habe in
der letzten Zeit zuviel in diesem verdammten Büro gehockt.«
    Mein kühner Entschluß hatte mich in
Ferienstimmung versetzt, und Hank schien es genauso zu gehen. Wir wollten etwas
Besonderes unternehmen und fuhren zu den Avenues, wo eines unserer
italienischen Lieblingsrestaurants, der Goldene Spiegel, liegt. Wir bestellten
Auberginen Parmigiana und eine Karaffe Rotwein. Nachdem wir eine Weile über
Raes Dilemma geredet hatten, ohne auf eine hilfreiche Lösung zu kommen, begann
Hank von einem Scheidungsfall zu erzählen, den er gerade bearbeitete. Da stritt
man um Zahlungen für den Unterhalt einer Katze, um einen Picknickkorb im Wert
von hundert Dollar und darum, wer das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn,
einen Teenager, zu übernehmen hatte. Der Junge beschäftigte sich nach
seinen eigenen Worten mit »Heavymetal Science-fiction« und behauptete, in der
Garage eine »nukleare Todesmaschine« zu bauen.
    Früher hätten wir über eine solche
Geschichte gelacht, aber so wie Hank sie erzählte, hörte sie sich richtig
melancholisch an. Während er erzählte, wurde er lebhafter, aber er trank
schnell und aß wenig, und ich bekam einen guten Teil seiner Aubergine ab. Als
wir mit dem Essen fertig waren, schlug er vor, anstelle von Kaffee noch einen
Wein zu bestellen. Ich war einverstanden, denn ich hatte das Gefühl, daß er
endlich darüber sprechen wollte, was ihn bedrückte. Wir zogen um an die Bar,
und er erzählte mir noch zwei weitere Scheidungsgeschichten, die aber nicht
annähernd so komisch waren. Er schlich um den heißen Brei herum.
    Das lag sicher an meiner Freundschaft
mit Anne-Marie. Außerdem hatte er mich immer als so eine Art kleine Schwester
betrachtet, die man nicht mit Problemen belasten konnte. Was immer ich jetzt
sagte, würde den weiteren Verlauf unserer Freundschaft bestimmen.
    Also sagte ich alter Feigling gar
nichts. Wir tranken noch zwei Gläser

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