Dieser Sonntag hat's in sich
wackelige
Beziehung nicht gefährden. Irene konnte mir nutzen, aber nur, wenn sie dachte,
daß ich auf ihrer Seite stehe.
Ich half ihr, die Kinderkarre die
Stufen am Pavillon hinunterzutragen. Auf dem Weg zum Wasserfall sagte ich:
»Vielleicht hat doch Bob Choteau Rudy getötet.«
»Das glaube ich nicht.«
»Ich auch nicht. Irene, wissen Sie, wo
Bob sich versteckt?«
»Nein. In der Zeitung stand, daß er
sich vielleicht im Park aufhält. Aber das war vor ein paar Tagen.«
»Er ist hier, und jemand bringt ihm
Essen — und zwar jemand aus Ihrem Haushalt, wie ich vermute.«
Sie blieb am Rande der Felsblöcke
unterhalb des Wasserfalls stehen und schaute mich an. »Warum vermuten Sie das?«
Ich erzählte ihr von der Tasche mit
Lebensmitteln, ohne jedoch zu erwähnen, wo ich sie gesehen hatte. Irene wischte
sich mit dem rechten Ärmel über die Stirn; ob die Feuchtigkeit auf ihrer Stirn
vom Wasserfall kam oder ob sie vor Nervosität schwitzte, konnte ich nicht
sagen.
»Sie müssen mir helfen herauszufinden,
wer diese Tasche mit Lebensmitteln zu Bob gebracht hat...«
»Ich kann mir kaum selbst helfen.«
»Damit helfen Sie sich selbst — und
Susan.«
Sie schaute auf die Kinderkarre hinab.
Das kleine Mädchen war eingeschlafen; ihr Kopf war auf eine Schulter gesunken.
»In Ordnung«, sagte sie.
»Ich bin mir ziemlich sicher, daß Vicky
es war«, erzählte ich ihr. »Aber ich muß es genau wissen.«
Irene fröstelte und schaute nach oben,
wo eine Brücke über den unteren Teil des Wasserfalles führte. Einen Augenblick
lang ließ mich die Furcht in ihren Augen glauben, dort oben wäre jemand, aber
ich entdeckte niemanden. Sie erlebte vermutlich die vage, unbestimmte Angst,
die Menschen befällt, die sich bedroht fühlen, aber diese Bedrohung nicht
identifizieren können.
»Werden Sie mir helfen?« fragte ich.
»Ja. Ich muß wohl. Sonst kann ich in
diesem Haus kein Auge mehr zutun.«
20
Ich verbrachte den Abend zu Hause und
wartete auf einen Anruf von Irene oder Rae. Keine von beiden rührte sich. Gegen
acht rief Jack Stuart an. Ich berichtete ihm von meinen Aktivitäten, und er
sagte, daß ich die Polizei informieren sollte. Ich erzählte ihm von Gallaghers
einseitiger Sicht der Dinge, aber er war immer noch der Meinung, daß ich einen
Fehler machte. Ich sagte ihm, daß ich die Sache auf meine Kappe nehme. Ich brauchte
noch vierundzwanzig Stunden Zeit; ich war überzeugt, bis dahin so viele
handfeste Beweise zu bieten zu haben, daß selbst ein Schmalspurbulle wie
Gallagher seine Taktik ändern müßte.
Um neun Uhr dreißig rief ich Jane
Wilkonson an. Nein, sagte sie, Frank sei nicht zurückgekommen, und er habe sich
auch nicht gemeldet. Ihre Stimme klang sehr nervös, fast wütend, sie war
offensichtlich nicht in der Verfassung, ein Gespräch zu führen. Im Hintergrund
hörte ich ein Kind schreien. Ich sagte ihr, ich würde mich am nächsten Tag
wieder melden. Dann stellte ich mich unter die heiße Dusche, bevor ich zu Bett
ging.
Am nächsten Morgen war ich um acht Uhr
dreißig im Büro. Ich hoffte, daß Irene mich falsch verstanden und, anstatt mich
zu Hause anzurufen, mir im Büro eine Nachricht hinterlassen hätte. Aber ich
fand nur einen Zettel mitten auf meinem Schreibtisch, auf dem stand, daß Rae um
acht angerufen hatte und bis zehn zu Hause zu erreichen sei. Ich wählte ihre
Nummer. Ihr »Hallo« klang recht niedergeschlagen.
»Wie geht es Doug?« fragte ich.
»Nicht so gut. Ich nehme an, du ahnst,
was wirklich passiert ist. Ted scheint es zu wissen, und er ist ein solches
Plappermaul.«
»Ich kann es mir vorstellen. Warum hat
er es getan?«
»Wer weiß? Er behauptet, es wäre ein
Unfall gewesen, er hätte nicht schlafen können, weil er sich den Kopf darüber
zerbrach, ob er die Magisterprüfung nun machen sollte oder nicht. Und dann
hätte er einfach zu viele Schlaftabletten genommen. Aber man nimmt nicht aus
Versehen so viele Tabletten.«
»Wie geht es dir?«
»Auch nicht so gut. Weißt du, was am
schlimmsten ist?« Sie sprach leiser, obwohl Doug noch immer im Krankenhaus war
und sie gar nicht hören konnte. »Er tut mir nicht leid. Ich bin nur wütend, daß
er sich und mir so etwas angetan hat. Ist das nicht schrecklich?«
»Nein, das ist ganz normal.«
Es entstand eine lange Pause. Dann
sagte Rae: »Hör’ mal, Sharon, ich glaube nicht, daß ich weiter für dich
arbeiten kann.«
»Warum nicht?«
»Ich glaube, daß meine Arbeit zum Teil
an Dougs Problemen schuld
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