"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
ich war mehr hanseatisch zurückhaltend, er mehr offen und direkt –, haben wir uns bestens verstanden und natürlich auch stark voneinander profitiert. Nicht nur auf dem Platz, wo ich ihn als der Ältere manchmal bremsen musste und er mich dafür hier und da motivieren konnte. Für mich war es damals schließlich auch das erste Mal, dass ich meine Eltern und Hamburg verlassen musste. Hannover, eine fremde Stadt ohne Freunde. Das war eigentlich gar nichts für mich.
Gerald half mir sehr, indem er mich auf seine lebensfrohe Art mit in sein Leben nahm. Es ist mir unvergesslich, wie wohl ich mich gefühlt habe, als im Hause Asamoah afrikanisches Essen aufgetischt wurde. Da habe ich immer gedacht, meine Mutter kocht. Wir waren irgendwie froh, dass wir uns hatten in dieser Zeit. Das galt natürlich für die schönen und lustigen Seiten des Fußballs, aber auch für Dinge, die wir am liebsten nicht erleben wollten. Dazu gehörte jenes Aufstiegsspiel mit Hannover in Cottbus, als ein ganzes Stadion sich dafür entschieden hatte, alles dafür zu tun, dass wir verlieren – und zu diesem Zweck auch die rassistische Karte gegen Gerald und mich spielte. Leider war diese Diskriminierung von schwarzen Spielern zu jener Zeit noch normal. Dennoch waren wir erschrocken, dass außer der sportlichen Leistung kaum etwas von diesen Vorfällen in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Und das, obwohl sich jeder ein Bild davon hätte machen können, schließlich wurde das Spiel im Fernsehen übertragen. Aber wir waren erleichtert, dass wir zu zweit waren. Das machte es für uns etwas einfacher, damit fertig zu werden.
Indirekt führte dieses Erlebnis auch mit zu meiner Entscheidung, nicht für Deutschland zu spielen. Ich hatte ähnliche Erfahrungen schon hinter mir, wurde von Skinheads verfolgt, Freunde wurden verprügelt. Deshalb konnte ich es mir damals nicht vorstellen, für ein Land zu spielen, in dem es Menschen gab, die mich nicht akzeptierten. Ich habe Geralds Weg aber dennoch als richtig empfunden. Denn er hat mit seiner Entscheidung viel dafür getan, dass man Schwarze inzwischen mehr als damals als einen Teil von Deutschland sieht. Dafür hat er immer gekämpft. So wie er es auch auf dem Platz tut. Da zeigt er schon mal ein anderes, ehrgeiziges Gesicht. Deshalb lieferte er gerade in den Spielen gegen den BVB meistens eine überdurchschnittliche Leistung ab. Wir kamen uns aber dabei fast nicht ins Gehege, da wir beide in der Offensive spielten. Wir warfen uns auf dem Platz höchstens ein paar Sprüche an den Kopf. Die aber bleiben unser Geheimnis!
A2, ein stilles Debüt
Das U21-Nationalteam unter Hannes Löhr wollte mich als Spieler haben und auch Ghana zerrte weiter an mir herum. Ständig riefen die ghanaischen Nationalspieler aus der Bundesliga bei mir an. Charles Akkonor und Sammy Kuffour versuchten mich zu überzeugen, dass ich mit Ghana in eine rosige Fußballerzukunft gehen würde. Ich aber suchte Kontakt zu meinem großen fußballerischen Vorbild Anthony Yeboah. Seine Meinung war mir wichtig. Und er überraschte mich mit seiner Antwort derart, dass ich seinen Satz noch heute in meinen Ohren höre: »Gerald, wenn ich die Chance gehabt hätte, für Deutschland zu spielen, ich hätte es getan!« Das haute mich um, denn eigentlich hätte ich von ihm ein Plädoyer für Ghana erwartet, weil er selbst für Ghana gespielt hatte. Aber auch er wusste, dass es mit der Organisation und der sportlichen Einstellung in Ghana nicht immer zum Besten stand. Wenn also der große Yeboah farblich Schwarz-Rot-Gold empfahl, warum sollte ich dann Nein sagen.
Und so war ich bereit, als Horst Hrubesch, der damalige A2-Trainer, mich anrief und mich zum Spiel gegen Frankreich einlud. Auch mein Teamkollege Jörg Böhme sollte dabei sein, was ein klares Argument für dieses Spiel war. Da ich außerdem wusste, dass ich mich mit diesem einen Spiel der A2-Nationalmannschaft nicht für Deutschland »festspielen« im Sinne von endgültig entscheiden würde, nahm ich die Sache recht locker. Laut Reglement des Weltfußballverbandes FIFA trat damals eine Festlegung für ein bestimmtes Land erst bei einem »Länderspiel im Rahmen eines offiziellen Wettbewerbs« in Kraft – und das A2-Spiel gegen Frankreich galt nicht als offizieller Länderspielvergleich. Ein kleines Hintertürchen blieb also für mich offen. Falls die deutschen Fans mich nicht sehen wollten, konnte ich weiterhin einen Schlussstrich ziehen.
6 Das war das Team bei meinem ersten
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