"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
nicht nur ein bisschen meiner Gefühlswelt. Ich wusste von nun an: Ich kann für Deutschland spielen und würde dennoch nicht mit meiner Heimat brechen müssen. Denn wahrscheinlich hätten viele Afrikaner Verständnis für meine Entscheidung und letztlich selbst so gehandelt.
Saisonfinale gegen Unterhaching
Wir waren in die Saison 2000/01 nicht unbedingt als Favorit gestartet und dennoch lief es erstaunlich gut für uns, obwohl ich zu Beginn der Spielzeit zunächst kaum zum Einsatz kam. Das konnte ich verschmerzen, denn das Saisonfinale entschädigte für ziemlich alles. Wir hatten es uns zwar selbst zuzuschreiben, dass wir mit diesem Sieg im letzten Spiel über Unterhaching nicht deutscher Meister wurden, aber Fußball ist eben kein Wunschkonzert. Wir verloren am vorletzten Spieltag beim VfB Stuttgart, waren nicht mutig genug und hatten nicht auf unsere Stärke vertraut, nach vorne zu spielen und nicht abzuwarten. Aber es war nicht mehr zu ändern. Auch nicht, dass wir nie offen über die mögliche Meisterschaft gesprochen haben. Aus meiner heutigen Erfahrung war das ein Fehler. Denn das hätte uns zwar mehr unter Druck gesetzt, aber das Ziel wäre auch eindeutiger gewesen. Das Ziel und der Glaube, es erreichen zu können, sind nämlich unheimlich wichtig. Intern war uns das klar, aber vielleicht hätte uns das öffentliche Bekenntnis noch einmal einen Schub gegeben. Die Bayern, unser entfernter »Endspielgegner« am letzten Spieltag der Saison, schlugen sich nicht mit diesen Problemen herum. Sie hatten die Meisterschaft immer als Ziel auf der Liste stehen. Und auch den Glauben daran. Die Botschaft »Immer weitermachen«, die Olli Kahn trotz Rückstands in den Schlussminuten des Spiels in Hamburg aussandte, ist ein gutes Zeugnis dafür.
Drei Punkte Vorsprung hatte der FCB also und wir konnten uns an diesem 19. Mai 2001 nur mit einem Sieg gegen Unterhaching im Rennen um die Meisterschaft halten. Wir hatten nämlich das bessere Torverhältnis, für den Fall, dass die Bayern verlieren würden. 65 000 Zuschauer besuchten ein letztes Mal das altehrwürdige Parkstadion, das als Spielstätte in der Saison darauf von der neuen Arena ersetzt werden würde, und sorgten für eine prächtige Kulisse. Vielleicht waren wir auch deshalb komplett übermotiviert. Denn anders kann man es nicht erklären, dass wir schon in der dritten Minute in Rückstand gerieten, der nach einer halben Stunde auf 0:2 angewachsen war. Wahrscheinlich wollte Unterhaching den Bayern einen Münchener Gefallen tun, aber das Team war keine Übermannschaft, es hatte nur einen großen Vorteil: Es hatte nichts zu verlieren.
Doch irgendwie war dieses 0:2 dann das Zeichen zum Aufbruch. Ich legte für Böhme auf, der zwar verzog, aber van Kerckhoven grätschte den Ball über die Linie. Und dann: Ich stehe nur eine Minute später nach einer Ecke mit dem Rücken zum Unterhachinger Torwart und mache den Ball mit der Hacke ins Tor. Besondere Spiele erfordern anscheinend besondere Tore. Die Art, wie ich diesen Treffer bejubelt habe, setzte noch einmal Emotionen frei und das Publikum war schon jetzt aus dem Häuschen. Dass sich alles nochmals steigern könnte, daran dachte in der Halbzeit keiner. Denn auch die Bayern hielten ein 0:0 in Hamburg. Es hatte sich also noch nichts getan. Nach der Pause lief das Spiel für uns wesentlich besser, ohne dass wir aber ein Tor erzielten. Das erledigte Unterhaching 20 Minuten vor Schluss. War das nun das Ende? Diese Frage stellten sich höchstens Fans oder Journalisten. Denn uns auf dem Platz war klar, dass wir noch zulegen konnten. Und das zeigte dann Jörg Böhme. Innerhalb von zwei Minuten machte er zwei Tore! Und wir waren wieder vorne. Das Stadion flippte total aus und Ebbe Sand setzte nochmals einen drauf, als er kurz vor Schluss noch das 5:3 erzielte.
Doch die Bayern hielten ein 0:0 und unter diesen Voraussetzungen würde das Original der Meisterschale in Hamburg an die Münchener verliehen werden. Bei uns auf der Tribüne wartete für den Fall der Fälle ein Duplikat. Und dieser Fall trat ja dann ein. Wenn auch nur für vier Minuten. Die »kürzeste Meisterfeier der Bundesligageschichte« nannte dieses Zeitfenster ein Witzbold damals, für uns Spieler und die Fans aber war es ein emotionaler Ausnahmezustand, auf den jeder anders reagierte.
Es gibt keinen Fußballgott
Aber zur Chronologie: Kurz nach dem Tor durch Ebbe Sand fiel ein Tor in Hamburg. Nach 89 Minuten und fünf Sekunden köpfte Barbarez das 1:0 für den
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