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Dieser Weg wird kein leichter sein

Dieser Weg wird kein leichter sein

Titel: Dieser Weg wird kein leichter sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Gerald und Großmann Asamoah
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schmoren. Überhaupt kannte ich so etwas wie Urlaub gar nicht. Bevor es mit den Marners an die See ging, war ich einmal in der Türkei gewesen. Da war ich 15 Jahre alt, aber als Urlaub konnte man die Zeit dort nicht beschreiben. Es handelte sich um ein Trainingscamp mit Hannover 96.
    Offen gestanden, habe ich mich lange gefragt, was ich so toll fand an anderen Familien. Ich glaube, dort gab es etwas, was ich zu Hause in meiner Kindheit vermisst habe. Eine Eltern-Kind-Beziehung mit viel Aufmerksamkeit füreinander, offen gezeigten Gefühlen und viel miteinander verbrachter Zeit gab es bei uns nicht. Ich hatte viel zu viel Respekt vor meinen Eltern und hätte es auch nie gewagt, mit Problemen zu ihnen zu gehen. Ich musste mit allem selbst klarkommen. Unser Verhältnis war klar definiert: Brauchte ich Geld für die Fahrkarte, war das kein Problem. Aber sonst wollte ich meine Eltern nicht belästigen. Sie hatten aus meiner Sicht so viel zu tun, rackerten sich für uns ab. Sie sollten stolz auf mich sein und das konnte ich nur erreichen, indem ich im Prinzip das gemacht habe, was sie gesagt und auch gefordert haben. Und über allem lag die Angst, ja alles richtig zu machen, damit es keinen Stress gab. Emotionen zeigten wir zu Hause kaum und wenn ja, dann eher negative. Deshalb bin ich auch nie zu meinem Vater gegangen. Seine Erziehung war sehr streng, ich wollte ihn nicht behelligen. Wahrscheinlich finden Sie das jetzt ungewöhnlich, dass ich mich dermaßen untergeordnet habe. Aber ich kannte es aus Ghana nicht anders. Nicht auffallen um jeden Preis war ja auch im Internat die Devise der Wahl gewesen. Und damit bin ich gut gefahren. Vermutlich fehlte mir deshalb ein innigeres Verhältnis zu meinen Eltern auch nicht bewusst. Und selbst wenn ich heute im Rückblick natürlich denke, dass ich gerne viel mehr mit Mama und Papa gekuschelt, getobt und gelacht und vor allem etwas zusammen unternommen hätte: Wahrscheinlich hat es mir geholfen, früh auf eigenen Beinen zu stehen und vor allem meinen Weg zu gehen.
    Ãœbrigens habe ich mich immer gewundert, dass ich mich oft dafür geschämt habe, dass wir zu Hause viele Dinge nicht hatten. Dennoch fanden es alle, die mich besucht haben, bei uns »echt cool«. Es war eben anders als anderswo. Immer was los, viele Leute und stets etwas Afrikanisches zu essen. Das hat meine Freunde offensichtlich beeindruckt. Dass sich mein Tagesablauf zu Hause auch nicht änderte, selbst als ich Profi war, erstaunte aber viele. Doch für mich stand außer Frage, mich irgendwie rauszuziehen. Dazu muss man wissen, dass meine Eltern sich irgendwann entschieden hatten, einen kleinen Laden, einen typischen Afrika-Shop, wo man Lebensmittel, Cremes und Haarprodukte kaufen konnte, in Hannover aufzumachen. Auch Stoffe und Textilien waren im Sortiment, da nähen neben handeln, das heißt Dinge besorgen und verkaufen, schon von jeher das Hobby meiner Mutter war. Das Ganze war ein ziemlich riskanter Schritt in die Selbstständigkeit, vor allem für eine afrikanische Familie. Aber mein Vater hat diesen Traum meiner Mutter unterstützt. Anfangs arbeitete er noch parallel im Reifenwerk Continental, später aber stand auch er mit im Laden, der zugleich auch eine große Herausforderung für mich bedeutete. In Form von mehr Arbeit im Haushalt.
    Auch wenn ich anfangs stolz auf meine Eltern und ihren Schritt zur Selbstverwirklichung war, für mich als Fußballer bedeutete das Stress pur. Denn mein Vater erwartete selbstverständlich von mir, dem Ältesten, dass ich mithalf und mich um alles ­Mögliche kümmerte. So glich mein Tagesablauf einem Kabinett des Grauens für einen Fußballprofi: vier Uhr aufstehen, mit dem Vater zum Großmarkt fahren, die Ware einräumen, dann nach Hause, aufräumen, Hausarbeit, danach zur Schule, von der Schule in den Laden, dann zum Training, nach dem Training wieder in den Laden, um aufzuräumen, und schließlich Hausaufgaben. Das war für lange Zeit meine Routine, der Fußball kam darin fast schon einer Freizeitveranstaltung gleich. Denn das tägliche Training war die einzige Zeit des Tages, in der ich an mich denken konnte – und das habe ich genossen. Meine Mannschaftskollegen schüttelten oft den Kopf über das, was ich so nebenbei alles trieb. Aber ein bisschen Respekt habe ich mir damit auch verdient und nebenbei eine Hartnäckigkeit entwickelt, die ich später auf dem

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