Dieser Weg wird kein leichter sein
Das galt für unsere Dorfschule in Mampong genauso wie für das Internat in Accra. Das lag weit auÃerhalb der Hauptstadt, sodass wir dort fast von der AuÃenwelt abgeschnitten lebten. Musste jemand zum Arzt oder ins Krankenhaus, dauerte die Fahrt ungefähr anderthalb Stunden.
Im Internat standen wir auf eigenen Beinen. Denn dort wurde uns nichts in den Schoà gelegt. Wir mussten selbst waschen und vor dem Unterricht arbeiten. Der Besitzer des Internats hatte einen Bauernhof, den er von uns bewirtschaften lieÃ. Wir misteten den Stall aus, fütterten die Enten, brachten die Saat aus und die Ernte ein. Das alles war leider nicht von Vorteil für uns. Nur wenn ab und zu mal eine Ente geschlachtet werden musste, gab es zum Abendbrot für jeden ein kleines Stückchen von dem armen Tier. Die Sonntage galten bei uns so viel wie Feiertage. Denn dann durfte man Besuch bekommen und meine Tanten brachten heià ersehntes Essen mit. Ich wage zu behaupten, ohne diese Zusatzrationen hätte ich als kleiner Vielfraà die Mischung aus Schule und Arbeiten gar nicht geschafft. Jeder von uns versteckte seine essbaren Mitbringsel im Spind und bediente sich eine Woche lang gegen den Hunger. Bis zum nächsten Wochenende, dann gab es ja wieder Nachschub. Freudiger Höhepunkt der Woche war jedoch der Samstag. Da gab es im Internat Disco. Eine Stunde lang konnte man sich den Frust, den man in der Woche angesammelt hatte, von der Seele tanzen. Und davon gab es genug. Man durfte sich nämlich nichts, rein gar nichts erlauben. Alles wurde sofort und unerbittlich mit Schlägen quittiert. Wenn man sich zum Beispiel dreckig machte, knallte es. Wenn man Widerworte gab, knallte es, oder wenn man zu spät zum Unterricht kam, knallte es. Am besten war es, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Und so komisch es klingt: Auch wenn man untereinander Twi redete, also meine Heimatsprache benutzte, gab es mächtig Ãrger. Denn im Internat wurde nur Englisch gesprochen. Wahrscheinlich wollte man den Afrikaner in uns austreiben, damit wir mehr Chancen hatten, in Europa Fuà zu fassen oder in Ghana beruflich voÂranzukommen. Ich allerdings empfand dies als Gängelei, als ob man versuchen würde, mir meine Identität zu entreiÃen.
Mir haben die Prügel zwar nicht geschadet â meine Persönlichkeit zerbrach nicht daran â, dennoch bin ich froh, dass sich das Verständnis von einer guten Erziehungsarbeit geändert hat. Auch in diesem Internat. Denn nachdem ich in Deutschland FuÃballprofi geworden war, habe ich meine ehemalige Schule mit einer Ladung FuÃbälle und Trikots im Gepäck besucht. Schläge sind jetzt nicht mehr an der Tagesordnung. Man hat eingesehen, dass dies nicht die einzige Möglichkeit ist, Autorität zu zeigen. Das Treffen mit meinem ehemaligen Lehrer Mr. Smith war jedenfalls eine groÃe Genugtuung: Er hatte mich einst geschlagen, jetzt hatte er gehörigen Respekt vor mir. Das merkte ich an der Art und Weise, wie er mit mir sprach. Doch mehr als dieser Punkt überwog bei mir die Freude, dass er seine Schüler nun nicht mehr körperlich maÃregelt.
Mein Cousin als Entwicklungshelfer
Ich kann wirklich von Glück sagen, dass die Familie Asamoah sich so in Hannover ausgebreitet hat. Denn nur so war es eigentlich möglich, dass ich zum FuÃballspielen in einen Verein kam. BV Werder Hannover wurde meine erste Station als Spieler Anfang der 1990er-Jahre. Aber nur, weil mein Cousin Sammy dort schon spielte. Sammy war nicht nur deshalb, weil er mich dorthin mitnahm, ein wichtiger Mensch in meinem Leben, er teilte eine Zeit lang alles mit mir und hat mich auch dann unterstützt, wenn sich in meiner Familie Widerstände gegen meine sportliche Leidenschaft regte. Er war es, der für meinen ersten Weg ins FuÃballgeschäft verantwortlich war.
Nachdem ich meine neuen Schuhe zum 13. Geburtstag bekommen und mit seiner Hilfe den Vereinsbeitrag bei meinen Tanten erkämpft hatte, trainierte ich eifrig unter meinem ersten deutschen Trainer Guido Schustereit. Dessen Bruder wurde später mein Sturmpartner. Die beiden waren so nett und haben mich ab und zu daheim abgeholt. Ich war nämlich manchmal etwas schluderig und habe auch schon mal den einen oder anderen Termin vergessen oder kam zu spät. Vielleicht war das der Ausgleich zu der strikten Organisation im Hause Asamoah. Später sollte mir dieser Hang zur Unpünktlichkeit
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