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Dieser Weg wird kein leichter sein

Dieser Weg wird kein leichter sein

Titel: Dieser Weg wird kein leichter sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Gerald und Großmann Asamoah
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nach der langen Saison und der zugegebenermaßen nicht gerade kleinen Feierstunde nach dem Pokalsieg. Selbst wenn ich auf dem Zahnfleisch gegangen wäre, hätte ich an dieser Stelle natürlich mit einem unmissverständlichen »Natürlich!« geantwortet. Aber diese Antwort brauchte ich ihm gar nicht erst zu geben, denn er sagte: »Ich will, dass du morgen von Beginn an spielst!«
    Die Hymne
    Danach war ich den ganzen Abend im Tunnel. Ich habe telefoniert ohne Ende, um allen Freunden zu erzählen, dass ich von Anfang an spielen werde. Auf dem Bett liegend, blickte ich an die Decke und malte mir aus, wie es sein würde, wenn ich den Platz betrat. Als der große Tag kam, war alles ein wenig unwirklich. Wie in Watte gepackt, sodass man sich hinterher nicht mehr so richtig an Einzelheiten erinnern kann. Wir haben am Morgen leicht trainiert, das zumindest weiß ich. Der Blick in die Vergangenheit wird erst wieder glasklar, wenn ich an die Aufwärmphase und das Warmlaufen denke. Die Zeit vor dem Spiel war fast anstrengender als das Spiel selbst, da ich extrem auf meine Aufgabe fokussiert war. Ich sollte gut spielen, dem Nationalteam eine Hilfe sein und vielleicht, wenn alles gut lief, für die nächsten Spiele eingeladen werden.
    Und da stand ich nun vor Anpfiff in einer Reihe mit Jens Lehmann (BVB), Marco Rehmer und Sebastian Deisler (beide Hertha BSC), Oliver Neuville, Jens Nowotny, Michael Ballack und Carsten Ramelow (alle Bayer Leverkusen), Marco Bode und Frank Baumann (beide Werder Bremen) und Oliver Bierhoff (AC Mailand). Die Aufstellung des Spiels in Bremen kann ich heute noch auswendig aufsagen. Und ich sehe noch die ganzen Kameras und Fotoapparate, die auf mich gerichtet waren. Denn das war natürlich die Sensation für alle Journalisten schlechthin: Asamoah feiert mit seinem ersten Auftritt für Deutschland als erster Schwarzafrikaner Premiere.
    Es folgte eine echt schwierige Situation, das Einspielen der Nationalhymne. Immer wieder – nicht erst seit der EM 2012, als die Italiener gegen uns im Halbfinale lauthals ihre Hymne schmetterten, während sich bei unserem Team nur einige Lippen bewegten – gibt es Diskussionen um die Frage: Muss die Nationalhymne mitgesungen werden, auch und gerade von Spielern, die einen sogenannten Migrationshintergrund haben? Und: Ist das dann das einzige Zeichen für Engagement und Leidenschaft für das Heimatland?
    Ich denke an die erfolgreichen Zeiten des deutschen Fußballs. Ich kann mich nur an wenige Spieler erinnern, die aus voller Kehle die Hymne mitsangen. Einige kauten sogar eifrig Kaugummi. Das waren alles Spieler mit deutscher Herkunft, ohne irgendeinen Migrationshintergrund. Deshalb finde ich diese Diskussion komplett überflüssig. Denn mit dem Singen alleine ist nichts gesagt. Mir ist ein stummer Fisch, der dann auf dem Platz explodiert, wesentlich lieber als ein Sänger, der lustlos kickt. Und by the way : Die Italiener haben auch schon lauthals gesungen und nachher total schlecht gespielt.
    Also, warum erzähle ich das Ganze. Natürlich stand auch ich vor der Entscheidung, wie ich mich als deutscher Staatsbürger mit ghanaischer Geschichte verhalten sollte. Ich entschied mich dafür, nicht zu singen, auch wenn es vielleicht viele erwartet hätten. Aber der Grund hierfür war nicht die mangelnde Identifikation mit meiner neuen Heimat. Er war ganz lapidar und einfach: Ich kannte die Hymne aus dem Musikunterricht in der Schule, auch mit dem Text war ich vertraut, aber ich hatte schlicht und ergreifend Angst, dass alle zuschauten, wenn ich womöglich einen Fehler machte. Schließlich war die Aufregung groß und was hätte es für einen Wirbel gegeben, wenn Gerald Asamoah analog zu Sarah Connor »Brüh im Lichte dieses Glückes« gesungen hätte. Die Schlagzeilen mochte ich mir gar nicht vorstellen. Außerdem hatten meine Schalker Kollegen angedroht, sie würden gucken, ob ich denn auch hübsch mitsänge. Kurz und gut, ich hatte einfach ein bisschen Muffensausen, dass sie lachten. Und ich wusste: Es gibt möglicherweise ja noch Gelegenheit genug zum Mitsingen. So nahm ich mir im Trikot mit der Nummer 7 schweigend die Zeit, während der Hymne stolz auf mich und meine neue Heimat zu sein. Ich ließ in diesem Augenblick die letzten Jahre noch einmal vorbeiziehen – und dankte Gott! Denn noch vor weniger als zwei Jahren war meine Karriere fast Geschichte. Und jetzt

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