Dieser Weg wird kein leichter sein
Qualifikation noch gegen Finnland 2:2 und gegen Albanien 2:0. In dieser Partie machte ich beinahe sogar mein zweites Tor, aber der Ball ging diesmal nur an den Pfosten. In Budapest gab es dann vor der neuen Saison noch ein letztes Länderspiel, zu Ehren des ungarischen FuÃballverbands, der sein 100-jähriges Bestehen feierte. Wir gewannen 5:2 und ich war bis zur 76. Minute auf dem Platz. Ich hatte mich erst einmal festgespielt im Team von Rudi Völler und blickte mit Vorfreude auf die neue Saison beim FC Schalke.
Doch das mit der Welle der Sympathie barg ein kleines ProbÂlem. Nicht für mich, denn die Gefahr, dass ich wegen der tollen Presse nach den Spielen abheben würde, hielt ich für relativ gering. Andere hingegen sahen das anscheinend anders. Denn mit dem ersten Training auf Schalke schien sich zumindest ein Mann gegen mich verschworen zu haben.
Während alle Mitspieler wissen wollten, wie es war, im Nationalteam zu spielen, hatte mein Trainer Huub Stevens eine ganz eigene Methode, Höhenflüge einzelner Spieler zu vermeiden. Der vorher allseits hoch gelobte Gerald Asamoah musste sich erst mal vor versammelter Mannschaft eine ordentliche Predigt anhören. Stevensâ Inhalt: Das mit dem Nationalteam sei eine Sache, die andere aber sei der FC Schalke. Ich solle bloà nicht auf die Idee kommen, mein eigenes Ding zu machen, und er werde ein waches Auge darauf haben, dass ich mich in den Dienst der Mannschaft stelle und auf dem Boden bleibe. Bumm!
Das war mir ganz schön peinlich, ich hatte natürlich keine Lobeshymnen erwartet, aber dass er mich zusammenstaucht, nur weil ich persönliche Erfolge verzeichnen konnte, war mir doch suspekt. Im gesamten Training bekam ich bei Aktionen immer wieder »mein Fett weg«. Ständig meckerte Stevens an mir herum, sodass die Mitspieler schon keine Lust mehr hatten, Ãbungen mit mir zu machen, weil ich so intensiv unter Beobachtung stand. Am Ende des Trainings folgte dann der Höhepunkt. Stevens beendete die Ãbungseinheit, schickte alle in die Kabine, nur ich musste bleiben. Er baute einen Sprint-Parcour auf und lieà mich laufen, was die Beine hergaben. Immer wieder schrie er, ich solle mich anstrengen. Und ich gab alles! Trainer ist halt Trainer und Diskussionen sind im Profigeschäft nun mal nicht üblich. Manchmal tut es eben auch ein knapper Satz, der alles erklärt. Als ich völlig fertig war und er mein »Spezialtraining« beendete, rief er mich zu sich, lächelte mich freudig an und sagte: »Du brauchst das!« Das war alles. Und sofort war mir klar: Er machte das nicht, weil er mich nicht leiden konnte. Nein, gerade weil er mich mochte, wollte Stevens nicht, dass ich für einen kleinen Höhenflug meine Einstellung zum Team wegschmiss. Und um das zu verhindern, setzte er ein deutliches Signal. Und ich hatte es verstanden!
Stevens war überhaupt ein toller Trainer. Auch wenn er manchmal unberechenbar schien, war er unglaublich ehrlich. So wie man sich einen Lehrer wünscht. Da heiÃt es doch auch immer: Streng, aber gerecht. Als Stevens Schalke als Trainer verlieÃ, verdrückte ich nicht nur eine Träne und dachte kurz daran, ihm nach Berlin zu folgen, zumal es für mich sportlich im Verein nicht ganz so gut lief. Aber dann setzte sich doch der Schalker in mir durch und ich blieb. Stevens ist als Trainer ein bisschen wie mein Vater gewesen. Seine Strenge und die Tatsache, dass er mir hier und da keine Beachtung schenkte, hat mich nur noch mehr angestachelt. Ich wollte ihm dann zeigen, dass ich durchaus Aufmerksamkeit verdiente â und das Schlitzohr Stevens hat das genau gemerkt.
Das ist im Ãbrigen der Unterschied, den junge Talente lernen müssen, wenn sie sich im FuÃball durchsetzen wollen: Man muss immer an sich arbeiten, denn das Talent haben viele, aber der Wille, immer an sich zu arbeiten, ist das Entscheidende. Ich habe viele gute junge Spieler erlebt, die von der Presse und dem Trainer hoch gelobt wurden und nur noch überlegt haben, wann sie endlich im Nationalteam spielen und was sie mit dem ganzen Geld, das sie sicher demnächst verdienten, anstellen würden. Doch die meisten sind an und mit dieser Einstellung gescheitert. Ein guter Trainer bemerkt diese ersten Anflüge von Hochmut und Illusionismus und steuert dagegen. Da hatte ich mit Huub Stevens echtes Glück!
Vielleicht war der Weggang von Stevens auch der Grund, warum ich in der Folgezeit
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