Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
peinlich gewesen.
Lars bezahlte für uns, dann ging es weiter zu Saturn in die Unterhaltungsabteilung Computerspiele, DVDs und CDs angucken. Um zwanzig Minuten nach Sieben mussten Aenne und ihre Freundin schon wieder gehen, weil sie nicht so lange draußen bleiben durften. Ich bot ihnen an, sie nach Hause zu fahren, weil ich mich gerne noch mit Aenne auf der Rückbank von Lars’ Auto amüsiert hätte, aber sie wollten lieber den Bus nehmen. Sie sagten »Tschüss« und winkten mir zu, und ich winkte zurück. Dann waren sie weg. Ich war ganz zufrieden mit mir. Mein erstes Date hatte ziemlich gut geklappt, fand ich. Okay, ein bisschen Mist hatte ich schon gebaut und dummes Zeug erzählt, aber alles in allem war es keine Katastrophe gewesen. Ich atmete durch, ging zum Regal, wo mein Lieblingsspiel stand, Art Academy für Nintendo DS, und nahm es ungefähr zum hundertsten Mal aus dem Fach heraus.
»Ich möchte so gerne dieses Spiel haben, um zeichnen zu lernen«, erzählte ich Lars, der plötzlich wieder neben mir stand. Er hatte sich vorher die neuen Fernseher angeguckt, weil er doch nur diese kleine uralte Gurke besaß.
»Wieso bekommst du es dann nicht?«, fragte er.
»Mama will es mir nicht kaufen, weil ich schon so viele Spiele habe. Aber die habe ich doch alle schon durchgespielt, und dieses hier will ich unbedingt.«
»Was ist denn daran so besonders?«
»Na, dass man zeichnen lernen kann«, sagte ich verträumt. »Das ist das Coolste daran.«
»Malst du sonst auch gerne?«
»Ja.«
»Ich meine, mit Papier und Stiften.«
»Ja.«
»Und wie oft hast du das Spiel schon in deinen Händen gehabt?«
»Jedes Mal, wenn ich hier bin«, sagte ich und rüttelte daran, wie an einem eingepackten Weihnachtsgeschenk. »Ganz viele Male.«
»Weißt du was?«, sagte Lars und ich wendete zum ersten Mal meinen Blick von dem Spiel ab und sah ihn an.
»Nee«, sagte ich.
Lars grinste und sagte: »Wir kaufen’s einfach.«
Ich sah ihn immer noch an.
»Ehrlich jetzt?«
»Ja.«
»Ohne Scheiß?«
»Ja, normal«, lachte Lars und streckte seine rechte Hand zum Einschlagen in die Luft.
Wir gingen zur Kasse und redeten noch ein bisschen über Aenne. Als wir langsam in Richtung Parkhaus liefen, und ich noch immer wie verzaubert auf mein Spiel starrte, gab Lars mir den Tipp, besser den Preisaufkleber von der Verpackung abzuziehen. Mama sollte nämlich nicht erfahren, wie teuer das Spiel war. Ich wusste zwar nicht warum, aber ich stellte auch keine Fragen. Ich friemelte ihn ab und war überglücklich. Lars fuhr noch ein paar Runden durchs Parkhaus, ließ mich lenken und die Gangschaltung bedienen. Manchmal sagte er auch festhalten, drückte aufs Gaspedal und ließ seine Reifen quietschen, was mir immer etwas Angst machte, aber auch Freude. Wir waren schon fast zu Hause, als Mama anrief. Sie sagte, dass Papa und sie den freien Abend nutzen wollten und jetzt in ein Restaurant auf den Kiez gehen würden und danach noch auf die Reeperbahn und dass wir tun und lassen könnten, was wir wollten.
»Bingo«, rief Lars ganz laut, drehte an der nächsten Ampel und fuhr zurück in die Stadt. »Worauf hast du Lust?«
»Mama und Papa ärgern«, sagte ich.
»Keine schlechte Idee eigentlich, aber heute lassen wir die mal in Ruhe, hmm?«
»Warum?«
»Die wollen heute nur für sich sein. Das geht schon in Ordnung. Hast du Hunger?«
»Ein bisschen.«
»Ich kenne ein tolles Restaurant. Die machen ganz leckere Pizza und ein eiskaltes alkoholfreies Bierchen kriegen wir da auch für dich. Na, was meinst du?«
»Au ja«, grinste ich.
Im Radio lief Follow Rivers von Lykke Li. Wir sangen beide laut mit und fuhren weiter durch die Nacht. Ich versuchte, gute Laune zu haben. Lars war da, und wir machten genau das, wovon ich mein Leben lang immer geträumt hatte, aber mein Herz fühlte sich nicht wohl und kalt wurde mir auch etwas. Dabei war es ein so schöner Tag: Ich hatte ein Date mit einem hübschen Mädchen und dazu mein langersehntes Spiel bekommen. Warum konnte ich in dem Moment trotzdem nicht glücklich sein? Ich meine, so richtig von Herzen glücklich. Vielleicht war das gar nicht möglich, weil mein Herz so krank war, überlegte ich. Vielleicht war Unglücklichsein eine Nebenwirkung meines kranken Herzens. Ich erzählte Lars davon, und er tröstete mich.
»Auf der Suche nach dem Glück ergeht es uns allen gleich – man ist nicht glücklich.« Ich schüttelte den Kopf, weil ich das nicht verstand. »Guck mal, Daniel«, sagte er weiter.
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