Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Sorgen.«
»Okay«, sagte ich.
»Eine Sache noch, Daniel. Kein Wort zu ihr wegen Aenne. Wenn du jetzt gleich damit ankommst, fühlt sie sich wieder verarscht, und das wäre nicht gut. Lass mich das machen, okay? Ich rede mit ihr. Jetzt fahren wir erst mal nach Hause und ruhen uns aus.«
Es tat so gut, in Momenten wie diesen nicht alleine zu sein. Ich hätte natürlich wieder alles vermasselt.
Als wir nach Hause kamen, war Papa noch beim Griechen. Jeden Samstag trifft er sich dort zum Kartenspielen. Manchmal gehe ich auch mit, damit Mama etwas Ruhe vor mir hat. Die Leute dort sind ganz nett, aber mir wird meistens schnell langweilig, weil es für mich nicht viel zu tun gibt, außer rumsitzen. Ich musste Lars versprechen, bis 18 Uhr die Füße still zu halten und nicht durch die Wohnung zu hüpfen, keine Süßigkeiten zu essen und vor allem, Mama nicht zu ärgern. Das war ganz schön hart, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte. Dann kam mir eine Idee. Da Lars in seinem Zimmer ein Mittagsschläfchen hielt, fragte ich Mama, ob sie mir helfen könnte, für ihn einen Kalender zu basteln.
»Warum war ich wohl im ELBE in diesem Schreibwarengeschäft?«, lächelte Mama.
»Warum denn, Mama?«, fragte ich.
»Darüber haben wir doch in den letzten Tagen so oft gesprochen, Daniel. Wir basteln für Lars einen Kalender, den er sich in seine Wohnung hängen kann.«
»In Berlin?«
»Ja, wo denn sonst?«
»Und was, ich meine, womit, also, ähhh, wie …«, begann ich zu stottern, aber Mama kam schon auf mich zu und drückte mich an ihren Bauch.
»Ich habe elf Fotos ausgedruckt, von Lars und dir, für jeden Monat eins, den letzten Monat bekleben wir später«, sagte Mama leise und streichelte über meinen Kopf. »Wir setzen uns jetzt ins Wohnzimmer, du schneidest die Fotos aus, dann kleben wir sie ein und schreiben noch einen schönen Spruch dazu, ja?«
Die Bastelarbeit dauerte fast zwei Stunden, aber ich merkte gar nicht, wie schnell die Zeit verflog, weil es mir so viel Spaß machte. Man sollte immer nur die Dinge tun, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ich weiß, dass das nicht immer geht. Aber man sollte es wenigstens versuchen, weil man dann seltener traurig ist. Als ich die Bilder von uns in den Kalender einklebte, war ich nicht traurig, überhaupt nicht traurig.
Januar: Ein Foto von Lars und mir, morgens um 7 Uhr, an der Bushaltestelle. Es war das erste Foto, das wir von uns aufgenommen haben, deshalb passte es gut zum Januar. Ich schrieb: Auf dem Weg zur Schule.
Februar: Ein Foto von Lars und mir. Lars guckt normal, und ich ziehe eine Grimasse. Ich schrieb: ELBE einkaufen und Kaffee trinken .
März: Ein Foto von Lars und mir in unserer Küche. Lars hatte für uns gekocht. Es gab Ravioli mit Spinat und Ricotta in einer Tomaten-Oliven-Sauce. Ich schrieb: Auch kochen kann so viel Spaß machen. Lecker. Lecker.
April: Ein Foto von Lars und mir in seinem Zimmer. Wir liegen mit unseren Laptops zusammen auf dem Bett. Ich schrieb: Schnell, schnell. Lass uns mal schauen, was für Nachrichten wir haben. Hi hi hi.
Mai: Ein Foto von mir, das Lars im ELBE gemacht hat. Ich schaue ihn an und lächle dabei. Ich schrieb: Als ich geboren wurde, gab man mir Augen zum Sehen und ein Herz zum Leben. Doch warum hat mir niemand gesagt, dass ich mit den Augen weinen und mit dem Herzen leiden muss. Neben das Foto malte ich noch zwei Herzen. Auf jede Seite eins.
Juni: Zwei Fotos von Lars und mir beim Grimassenschneiden. Ich schrieb: Ein bisschen Spaß muss sein.
Juli: Ein Foto von Lars und mir, aber Lars ist nicht zu sehen, weil ich ihm seine Mütze übers Gesicht gezogen habe. Ich schrieb: Überfall auf Lars.
August: Ein Foto von mir, wie ich lache und Lars die Zunge rausstrecke. Ich schrieb: Frech kann ich auch mal sein .
September: Ein Foto von Lars und mir am Bahnsteig, kurz bevor er wieder nach Berlin fuhr. Ich lächelte, aber Lars schaute traurig, deswegen schrieb ich: Bist du traurig, hast du Sorgen, kann ich dir mein Lächeln borgen. Dich macht’s happy, bringt’s dir Glück, gib’s mir irgendwann zurück …
Oktober: Das gleiche Foto wie im September, weil der Text nicht mehr auf die Seite passte: … und wenn uns 1000 Meilen trennen, bin ich froh, dass wir uns kennen, denn Du gehörst zu den Menschen, die man nie vergisst, weil Du was Besonderes bist.
November: Ein Foto von Lars und mir, eng umschlungen und lachend, in der Herbstsonne. Ich schrieb: Musst du weinen, hol mich her, bist du
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