Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Augen wischen, als wir uns verabschiedeten, und Mama war auch kurz davor. Eigenartig! Mama sagte doch, dass die Klamotten in meinem Koffer für Ester bestimmt waren, aber warum hatte Lars den Koffer dann mit ins Auto genommen?
»Schläfst du bei uns?«, fragte ich Tamtam.
»So ähnlich, mein Schatz«, antwortete sie.
»Gehen wir jetzt was essen?«, fragte ich Lars.
»Sind schon auf dem Weg«, antwortete er.
Wir fuhren an der Innenalster vorbei, auf der man im Winter, wenn das Wasser gefroren war, Schlittschuhlaufen konnte. Für mich ist das zu gefährlich, weil ich auch noch Bluter bin und nicht hinfallen darf. Also hinfallen dürfte ich schon, aber mir dabei keine Knochen brechen, weil mein Herz die Operation nicht mehr überstehen würde. Deswegen erlaubt Mama mir lediglich, den anderen Kindern beim Schlittschuhlaufen zuzugucken. Weil das aber keinen Spaß macht, bleibe ich im Winter lieber ganz in meinem Zimmer. Lars bog in eine Seitenstraße ein, und wir fuhren eine kurze Strecke durch die Fußgängerzone. Dann hielt er vor einem Hochhaus aus Glas, vor dem ein roter Teppich ausgelegt war. Ein Mann in einem schwarzen Anzug und lustiger Mütze begrüßte uns freundlich und drückte auf einen Knopf. Eine Schranke öffnete sich.
»Was machen wir jetzt?«, rief ich nach vorne, aber Lars und Tamtam grinsten sich gegenseitig an und gaben keine Antwort. Vielleicht gingen wir in ein Schwimmbad, überlegte ich. Lars parkte sein Auto vor einem Schild, auf dem Eingang Hotel stand, und als wir ausstiegen, kam der Mann mit der lustigen Mütze und schob einen goldenen Gepäckwagen vor sich her. Das kannte ich aus dem Fernsehen. Aber was hatte das zu bedeuten? Warum waren wir hier? Und warum holte Lars all unsere Sachen aus dem Auto? Ich war ratlos.
Das Mädchen an der Rezeption schaute Lars ganz verträumt an, als er dort ein Formular unterschrieb. Tamtam flüsterte mir ins Ohr, dass Lars so etwas nie bemerken würde, weil er ein alter Schussel sei. Ich kicherte, aber nur ganz leise, da der Mann mit dem lustigen Hut neben mir stand und alles hören konnte. Mit einem Aufzug ging es weiter in den dritten Stock, Lars öffnete eine Tür, und wäre ich nicht schon sprachlos gewesen, dann spätestens jetzt. Auf dem großen Tisch, der sich mitten im Raum befand, waren ganz viele Chipstüten, Gummibärchen, Colafläschchen, saure Schnüre und so in eine durchsichtige Plastikfolie eingewickelt, mit einer hübschen Schleife drum. Wie hypnotisiert starrte ich auf den Süßigkeitenberg und entdeckte eine Karte, auf der mein Name stand. Ich nahm sie in die Hand und begann zu lesen.
SOFITEL
LUXURY HOTELS
Lieber Daniel,
wir freuen uns, dass Du im Sofitel Hamburg
Alter Wall bist, und wünschen Dir einen zauberhaften Aufenthalt.
Schön, dass Du bei uns bist.
Das Team des Sofitel Hamburg Alter Wall.
Krass! Woher kannten die meinen Namen? Und waren die Süßigkeiten alle für mich? Ich fragte Lars, der grinsend auf dem Sofa lag. Ich drehte mich einmal im Kreis, konnte die vielen neuen Eindrücke aber noch nicht so schnell verarbeiten. Wir waren in einem Palast. Es gab ein Schlafzimmer mit einem großen Bett und einem Fernseher, ein Wohnzimmer mit einem kleinen Bett und einem Fernseher, zwei Duschen, einer riesige Badewanne, die hinter dem großen Bett stand und ein Badezimmer, das golden leuchtete.
»Was machen wir hier?«, fragte ich, und Lars sagte: »Übernachten.«
»Wie, übernachten?«
»Weißt du noch, was auf deiner Liste stand?«
»Ähh, ja«, sagte ich nach kurzer Überlegung. »5-Sterne-Hotel.«
»Willkommen im Schlaraffenland, du Blitzmerker.«
»Das ist jetzt … ähh … DAS machen wir jetzt?«
»Yupp.«
In meinem Kopf schlug ein Blitz sein. Ich brauchte ein paar Minuten, um damit klarzukommen. Tamtam stand auf dem Balkon und rauchte. Ich ging zu ihr. Wir guckten zusammen aufs Wasser runter, weil gerade ein Boot vorbeifuhr. Dann wurde mir kalt, und ich setzte mich zu Lars aufs Sofa. Er hatte seinen iPod an die Anlage angeschlossen, und aus den Boxen kam HipHop. Ich konnte es noch immer nicht begreifen.
»Woher kennen die Leute aus dem Hotel meinen Namen? Und woher wissen die, was ich gerne für Süßigkeiten mag?«
Lars lachte und sagte: »Hast du schon die Mini-Bar gesehen?«
»Meinst du den großen Kühlschrank neben den Fernseher?«
»Ja, genau.«
Dort gab es Cola, Fanta, Sprite, Ginger Ale, Champagner für die Erwachsenen und alkoholfreien Sekt für mich. Es war alles da. Ich breitete meine
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