Dieses heiß ersehnte Glueck
geschlichen hast, um eine gute Tat zu vollbringen, wäret ihr beide um ein Haar getötet worden. Ich habe selbst gehört, wie die Hunde euch schon im Nacken saßen. Und das war allein deine Schuld, Leah! Du ziehst das Unglück schlimmer an als ein Glasscheibe den Staub.«
»Wie viele Briefe hast du im Haus hinterlassen?« flüsterte Leah.
»Drei! Einen auf dem Tisch, wo ihn jeder sehen kann; einen unter den schmutzigen Tellern — ich weiß nämlich, daß John niemals schmutziges Geschirr anfassen würde —, und einen unter dem Kissen im Schlafzimmer.«
»Aber ich habe davon gar nichts bemerkt«, sagte Leah. »Wie hast du. . . «
»Ich sagte dir doch bereits, daß ich sehr verschwiegen sein kann«, sagte Kim und machte ihren Rücken steif. »Und, Leah, es kostet mich jetzt einige Überwindung, es dir zu sagen, weil du das große Talent hast, andere Leute zu Dingen zu überreden, die sie gar nicht tun wollen: Also — wenn du diese Höhle verläßt, geht ich nicht mit! Ich bleibe hier sitzen, bis ein richtiger, lebendiger Mann kommt — einer mit Muskeln und, wie ich hoffe, einer Kanone — und mich hier rettet. Wenn du gehen willst, mußt du allein gehen.«
Leah blickte sich in der häßlichen kleinen Höhle um. »Es könnte Tage dauern, bis jemand kommt.«
»Ich sitze lieber eine Woche lang in dieser Höhle, als vier Tage früher auf einer Totenbahre in Sweetsbriar einzutreffen.«
»In diesem Punkt sind wir beide derselben Meinung«, sagte nun auch Leah mit blitzenden Augen.
»Oh, ich weiß genau, was du meinst, Leah. Wie lange kann ein Mensch ohne Nahrung leben?«
»Vielleicht werden wir das demnächst wissen«, antwortete Leah leise.
Die Morgendämmerung kam und mit ihr kein Hoffnungsschimmer, daß Hilfe gekommen sei. John hatte ein Nest in der gegenüberliegenden Schluchtwand gefunden, das auf gleicher Höhe mit der Höhle lag, und feuerte hin und wieder blindlings in die Höhle hinein, so daß es den beiden Frauen unmöglich war, Schlaf oder wenigstens Ruhe zu finden.
»Vielleicht sollten wir versuchen. . . «, begann Leah zum hundertsten Male; aber Kim brachte sie mit einem strafenden Blick immer wieder zum Verstummen.
Als der Abend hereinbrach, waren die beiden total erschöpft. John ließ seine Revolver jetzt häufiger knattern, einmal prasselte eine ganze Salve gegen den Sims unter dem Höhleneingang.
»Will er uns den Boden unter den Füßen wegschießen?« rief Leah.
»Hier!« kam eine schwache Stimme von draußen. »Helft mir hinein, während er nachlädt.«
Kim und Leah wechselten einen raschen Blick, ehe sie zur Öffnung der Höhle eilten.
»Mac!« rief Leah und fiel auf ein Knie, um die Arme nach ihm auszustrecken. Mit vereinter Anstrengung gelang es den beiden Frauen, Devon Macalister in die Höhle zu ziehen.
Mac lehnte sich gegen die Höhlenwand. »Er hat mich am Bein erwischt. Keine schlimme Wunde; aber sie blutet heftig. Wenn die beiden Ladies vielleicht etwas hätten, womit ich den Kratzer verbinden könnte, wäre ich überaus dankbar.«
Beide rissen breite Streifen von ihren Unterröcken, während sie Mac mit Fragen bombardierten:
»Wie haben Sie uns gefunden?«
»Ist Justin schwer verletzt?«
»Wo ist Wesley?«
»Wie kommen wir hier wieder heraus?«
»Haben Sie uns etwas zu essen mitgebracht?« Diese Frage kam von Kim.
»Moment noch«, sagte Mac. »Ich möchte mir nur kurz das Bein anschauen. Habe ich es mir doch gedacht: ein glatter Durchschuß! Aber der Schlag war so heftig, daß ich fast vom Sims heruntergefallen wäre.«
»Tut es sehr weh?« fragte Leah.
»Ein bißchen! Das schlimmste an der Wunde ist, daß ich jetzt nicht mehr mit diesem Bein auftreten kann. Hier!« Er holte ein Stück Dörrfleisch aus der Tasche, die an seinem Gürtel hing, und gab es Kim. »Nun zu Ihren Fragen, meine Damen. Sie waren leicht zu finden, weil Sie eine Spur hinterlassen haben, als wären zwei Holzfäller mit Äxten durch den Wald gegangen. Von Justin weiß ich nichts. Lynna und ich wollten Leah auf der Stanford-Farm besuchen, und dort fanden wir Ihren Brief. Ich schickte Lynna nach Sweetbriar zurück, damit sie dort die Leute alarmierte und einen Boten zu Wesley schickte. Ich habe den ganzen Tag an der Wand gelauert; mußte jedoch warten, bis es dunkel wurde, um den Aufstieg zur Höhle wagen zu können.«
»Ich möchte ja nicht undankbar erscheinen; aber warum sind Sie nicht auf John losgegangen?« fragte Leah.
»Er hat sich in einer Nische in der gegenüberliegenden Schluchtwand
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