Dieses heiß ersehnte Glueck
letzten Jahr die Ernte ausgefallen ist«, sagte Wes. »Und vergiß nicht, mich daran zu erinnern, daß ich noch für meine Farm in Kentucky Saatgut abfüllen muß. Ah!« Er lächelte. »Ist das nicht Jennifer?« rief er, als die fünfjährige Tochter von Regan und Travis über die Mole auf ihren Onkel zulief. »Entschuldigt mich«, sagte Wesley und schob sich durch die Menge, um das Kind zu begrüßen.
Einen Moment lang waren sie alle so betroffen, daß keiner ein Wort sagen konnte; aber jeder blickte anteilnehmend zu Leah hin, ehe die Menge sich wieder zerstreute.
Leah, die wie gelähmt war, daß Wesley sie nicht einmal begrüßt hatte, sah, wie ihr Mann mit Jennifer zum Haus hinaufging.
»Dieser Bastard...!« polterte Travis los; doch Regan legte ihm die Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf.
»Ich denke, ich sollte mal ein paar Worte mit ihm reden«, sagte Travis und ließ Regan mit Leah auf der Mole allein.
»Leah . ..«, begann Regan.
»Laß mich in Ruhe«, fauchte Leah. »Ich brauche euer Mitleid nicht. Wie dumm von mir, zu glauben, es könnte mit uns etwas werden. Ich bin eben nur ein armes Mädchen aus dem Sumpfgebiet am Fluß mit einer Hure als Schwester. Warum sollte er sich also dazu herablassen, mich auch nur anzusehen?«
»Hör auf!« sagte Regan. »Ich kenne Wesley besser. Das ist nicht seine Art. Vielleicht war es ein Schock für ihn, daß du so hübsch aussiehst. Darauf war er wohl nicht vorbereitet.«
Leah warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Für wie beschränkt hältst du mich eigentlich?«
»Laß uns ins Haus gehen«, drängte Regan. »Travis wird mit Wes reden und von ihm eine Erklärung verlangen.« Sie nahm Leahs Arm. »Bitte«, drängte sie noch einmal.
Leah ließ sich von Regan den Weg zum Haus hinauf ziehen; aber sie hielt den Kopf sehr hoch, wenn sie Leuten begegnete, die sie mitleidig ansahen.
Als sie durch die Haustür traten, hörten sie schon die erregten Stimmen der Brüder in der Bibliothek. Beide Frauen blieben wie gelähmt stehen, während sie Wesleys laute Stimme hörten:
»Du erwartest von mir, daß ich sie nicht mehr hassen soll, nur weil sie sich das Gesicht gewaschen hat? Ich habe sie von dem Moment an gehaßt, als ich sie heiratete. Ich haßte sie, weil sie es mir unmöglich machte, die Frau zu heiraten, die ich liebte. Den ganzen Winter hindurch habe ich hart gearbeitet und versucht, mir meinen Haß auf sie aus den Poren zu schwitzen; doch es gelang mir nicht. Ich brachte es nicht einmal fertig, in meinem Haus zu schlafen, weil ich daran denken mußte, daß diese Schlampe einmal darin wohnen wird. Sie hat mein Leben ruiniert, und du verlangst von mir, daß ich ihr um den Hals fallen soll, weil sie sich das Gesicht gewaschen hat?«
Regan ließ nicht zu, daß Leah sich das noch länger anhörte. Sie wartete nur noch so lange, bis ein Stuhl polterte und die beiden Brüder offenbar ihre Meinungsverschiedenheiten mit den Fäusten austrugen, ehe sie Leah vor sich her die Treppe hinauf- und in das Zimmer hineinschob, das Leah mit ihrem Mann teilen sollte. Dort lehnte sich Regan gegen die Tür. Sie war so schockiert und verletzt, daß sie zu keiner Bewegung mehr fähig war.
Nicht so Leah, die zum Schrank ging, wo ihre neuen Kleider neben Wesleys Anzügen hingen. »Ich werde nicht viel mitnehmen«, sagte Leah. »Aber ein paar Kleider brauche ich doch. Vielleicht kannst du die anderen verkaufen. Das Geld soll dich wenigstens teilweise für das entschädigen, was du für mich getan hast.«
Regan brauchte einen Moment, ehe sie auf Leahs Worte reagieren konnte. »Wovon redest du eigentlich?« fragte sie.
Leah faltete zwei ihrer Kleider und legte sie zusammen. Sie zitterte am ganzen Körper.
»Ich rede davon, daß ich zurückgehe auf die Farm. Ich habe sie schon bewirtschaftet als mein Vater noch lebte, und werde ihr auch in Zukunft so viel abringen können, daß ich mich davon ernähren kann. Vielleicht darf ich den Webstuhl behalten, den Clay mir geschenkt hat, und mir damit ein Zubrot verdienen.«
»Du willst weglaufen?« erwiderte Regan fassungslos.
Leah drehte ihr das Gesicht zu. Ihre Augen loderten vor Zorn. »Ihr mögt zwar alle glauben, daß ich ein Nichts sei —, daß ich nicht viel wert bin, weil ich ohne Bildung und ohne die feineren Dinge des Lebens aufgewachsen bin; aber ich habe meinen Stolz und werde nicht in einem Haus bleiben, wo man mich haßt.«
»Wie kannst du nur so etwas sagen!« brauste Regan nun auf. »Jeder in diesem Haus hat dich
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