Dieses heiß ersehnte Glueck
begreifen zu können, daß Leute, die zusammenbleiben, im Vorteil sind. Selbst Revis kann ihnen das nicht beibringen.«
»Ist dieser Revis in der Lage, den beiden überhaupt etwas beizubringen?«
Abe blieb stehen und drehte ihr das Gesicht zu. »Falls du dir einbildest, du könntest die beiden auf deine Seite ziehen und gegen mich aufhetzen, da hast du dich getäuscht!»
Leah versuchte, ein gekränktes Gesicht zu machen; denn eben das hatte sie versuchen wollen.
»Revis und die beiden Jungs sind Brüder«, sagte Abe triumphierend, ehe er den Blick wieder auf den Pfad richtete. »Einige Familien halten eben zusammen«, setzte er hinzu.
»Willst du damit sagen, daß es noch einen dritten dieser >Jungs< gibt — drei von solchen Riesen?«
»Nein, Revis ist ganz normal gebaut und auch ganz richtig im Kopf. Er ist nicht blutsverwandt mit ihnen, sondern Revis’ Mutter hat Bud und Cal von irgendwoher bekommen, als sie noch Babies waren. Sie wurden zusammen mit Revis großgezogen, und deswegen halten sie auch zusammen wie echte Brüder.«
Leah schnitt hinter Abes Rücken eine Grimasse; denn sie hatte nun genug von seinen Anspielungen, daß sie keinen Familiensinn besitze.
Sie gingen eine Weile schweigend hintereinander her.
»Können Bud und Cal sprechen?«
»Nur, wenn man sie ärgert«, gab Abe zurück. »Ich glaube, bei ihrem Spatzengehirn haben sie auch nicht viel zu sagen.«
»Du meinst, je mehr die Leute reden, um so größer ist ihr Gehirn?«
»Manchmal bist du mir einfach zu schlau, Leah! Ich kann nicht so gut mit Worten umgehen wie Revis. Bei dem kannst du dein Mundwerk ausprobieren. Und halte dich mit dem Feuerholz zurück! Denn die Jungs kommen Revis sofort zu Hilfe, wenn du ihn auch mit einem Holzscheit auf den Kopf hauen möchtest. Ich mag nicht erleben, wie meine eigene Schwester verblutet.«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie sarkastisch.
»Schließlich weiß ich ja, was man seiner Familie schuldig ist — im Gegensatz zu dir.«
Leah ersparte sich darauf eine Antwort.
Einige Minuten später kamen sie zu einer Lichtung und sahen eine baufällige Blockhütte mit einem Stapel Brennholz neben einem Flüßchen zu ihren Füßen liegen. Leah blieb am Rande der Lichtung stehen und blickte auf die Szene hinunter, als eine ausgemergelte Frau aus der Hütte trat und ihre dünnen Arme mit Brennholz belud.
»Wer ist das?« fragte Leah.
»Verity«, sagte Abe. »Sie ist unsere letzte — äh — Köchin gewesen. Sie hat es nicht lange auf diesem Posten ausgehalten. Die Jungs sind dran schuld. Sie essen und essen .. .« Er blickte rasch nach links und rechts.
Leah mochte diesen Kündigungsgrund nicht anzweifeln und blickte stumm auf die Frau hinunter, während sie über die Lichtung schritten. Die Frau sah nicht einmal hoch. Tatsächlich war sie viel zu müde, um sich dafür zu interessieren, wer da über die Lichtung zum Haus käme.
»Mach uns was zu essen«, befahl Abe der Frau, als er auf Rufweite heran war.
Die Frau namens Verity bewegte sich nicht einen Deut schneller auf die Hüttentür zu.
Bud und Cal erschienen auf der Lichtung, als wären sie nie weg gewesen.
Nach kurzem Zögern lief Leah der mageren Frau in die Hütte nach, ging direkt auf sie zu und nahm ihr das Holz ab. »Sie setzen sich hin«, sagte sie sanft, »ich werde kochen.«
Ein überraschter Augenaufschlag war alles, was Leah darauf zur Antwort bekam, ehe die Frau in eine Ecke der Hütte trottete und sich dort auf den Boden kauerte.
»Aber doch nicht dort!« rief Leah betroffen. »Sie setzen sich an den Tisch!«
Verity sah mit furchtsamen Augen zu Leah hoch und schüttelte stumm den Kopf.
»Haben Sie Angst vor Abe?«
Verity schüttelte den Kopf.
»Vor Bud oder Cal?«
Sie schüttelte abermals den Kopf.
»Vor Revis«, flüsterte Leah und sah, wie die Frau sich noch kleiner zu machen versuchte, als Leah diesen Namen erwähnte. »Damit ist meine erste Frage geklärt«, sagte Leah zu sich, während sie die Vorräte in der Hütte inspizierte. Nur so einen Typ konnte sich mein Bruder Abe als Geschäftspartner ausgesucht haben, dachte sie.
Wenn es einen Ort auf Erden gab, wo Leah sich wohl fühlen konnte, dann war es der Küchenherd. Ihr ganzes Leben, bis sie Wes geheiratet hatte, war mit der Herstellung, Lagerung und Weiterverarbeitung von Lebensmitteln ausgefüllt gewesen. Als sie sich nun am Herd an die Arbeit machte, tat sie das mit dem Hintergedanken, daß es ihr vielleicht gelingen könnte, Bud und Cal mit einer guten
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