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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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Hospital entlassen«, fuhr Shep fort, »und in ein privates Pflegeheim in der Nähe gebracht. Es soll nur vorübergehend sein, für die Rekonvaleszenz. Aber er glaubt nicht daran. Er ist überzeugt, dass er für den Rest seines Lebens abgeladen worden ist wie ein Altkleidersack. Also muss sich Beryl einiges anhören. Die Lösung meiner Schwester sieht so aus, dass sie ihn einfach nicht mehr besucht.«
    »Sauber«, sagte Jackson und erkannte schuldbewusst, dass er mit dem Problem Glynis zur gleichen Lösung gelangt war.
    »Das heißt, dass ich ständig nach New Hampshire fahren muss. Was nicht so einfach ist, weil ich Glynis nicht lange allein lassen kann. Ich kann mir nicht mehr Urlaub oder freie Tage nehmen, als ich unbedingt muss. Trotzdem, ich will nicht, dass er sich verlassen fühlt. Ach ja, und Medicare hat ihn ausgeschlossen, da sie für seinen ›akuten Fall‹ die Kosten ja gedeckt haben. Also muss ich diese Morgentau-Residenz komplett aus eigener Tasche bezahlen. Achttausend im Monat, ob du’s glaubst oder nicht. Und jedes Aspirin kostet extra.«
    Normalerweise hätte Jackson sein Mitgefühl bekundet, auch wenn Shep nach dem Verkauf der Firma mehr Geld auf der Bank hatte, als er selbst je zusammen auf einem Haufen sehen würde. Doch nicht einer seiner angeblich restaurativen Eingriffe war von der Krankenkasse übernommen worden, da es sich streng genommen um einen freiwilligen schönheitschirurgischen Eingriff gehandelt hatte. Also war er gezwungen gewesen, seine sämtlichen Arztrechnungen mit Kreditkarte zu bezahlen, plus 22 Prozent Zinsen; noch immer hatte er die ursprüngliche Operation nicht abbezahlt, und das waren nur die Schulden, von denen Carol wusste. Da er selbst kaum die Mindestratenzahlung seiner Kreditrate hinbekam, war er nicht so nachsichtig gegenüber Sheps bescheuerter Gutmütigkeit wie sonst.
    »Wie immer«, erzählte Shep weiter, »muss ich Zachs Schulgeld zahlen, und Amelia mit ihrer Miete unterstützen –«
    Da platzte Jackson der Kragen. »Wieso lässt du immer alles mit dir machen? Dein Vater, na, dann fährst du halt mal nicht rauf nach Berlin. Du kannst nicht. Deine Frau hat Krebs. Punkt. Und wenn die nächste Rechnung von diesem Pflegeheim eintrudelt, zahlst du halt einfach nicht . Du hast es doch in der Hand, verfluchte Scheiße! Was glaubst du denn, was dann passiert, sie setzen ihn auf die Straße? Es ist schlimm, aber so schlimm nun auch wieder nicht. Du hast doch erzählt, er hat dieses Haus, und dass er deswegen kein Medicaid beziehen kann. Na gut, wenn du die Rechnung nicht bezahlst, dann wird ihn dieses private Drecksloch einfach in ein öffentliches Drecksloch verlegen, oder etwa nicht? Ich wette, es macht ohnehin keinen großen Unterschied, wenn’s einem scheiße geht und man nicht aufstehen kann. Und dann tritt Medicaid auf den Plan, und vielleicht pfänden sie das Haus. Sollen sie doch! Sollen sie deinem egozentrischen Arschloch von einer Schwester einen schönen Arschtritt verpassen, damit sie da hochkant rausfliegt. Spiel einfach nicht mit, Kumpel! Und wenn du schon dabei bist, hol Zach aus diesem überteuerten Sportklub und freunde dich damit an, dass er einfach nur ein stinknormaler Schüler ist, der genauso gut auf ’ner öffentlichen Schule stinknormal sein kann! Sag Amelia, dass sie jetzt erwachsen ist, und wenn sie nicht genug verdient, um ihre Miete und ihre gottverdammte Krankenversicherung zu zahlen, dann soll sie sich einen anderen Job suchen, ob sie damit ihren zarten Kreativitätsdrang befriedigt oder nicht! Warum bist du der Einzige, der die Verantwortung übernehmen muss? Warum kannst du die Leute nicht auch mal sich selber überlassen, so wie du dir immer selber überlassen worden bist? Warum kannst du nicht mal anfangen, die Leute so zu behandeln, wie sie dich seit Jahren behandeln?«
    »Ich bin, wer ich bin.« Sheps Ausspruch war so mechanisch, dass man unmöglich sagen konnte, ob es ein Scherz war.
    Sie kehrten um und marschierten schweigend zurück. Jackson wusste nicht, ob er sich hätte entschuldigen müssen, aber eigentlich hatte er keine Lust dazu. Ihm war klar, dass er nicht vernünftig war, und dennoch beschlich sie ihn immer wieder: die Überzeugung, dass der »Spleen«, der sein Sexleben zunichte gemacht hatte und ihm noch beim Pinkeln Probleme bereitete, in gewissem Maße Shep Knackers Schuld war. Die Erklärung, die er Carol geliefert hatte, war zwar immerhin so weit echt gewesen. Er wäre wirklich fast ins Zimmer geplatzt, und er

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