Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
hatte, weil ihm nichts anderes eingefallen war. Kartoffeln in Alufolie wickeln. Den Tisch decken – wobei er zu seinem Leidwesen feststellte, dass Glynis’ Fischmesser bei der Speisefolge nicht zu gebrauchen sein würde.
Doch die Gäste verspäteten sich. Alle Punkte auf der Liste waren durchgestrichen. Shep hatte nichts zu tun. Er verlieh damit der Skepsis seiner Frau gegenüber seinem idyllischen, müßigen Leben im Jenseits zwar einige Glaubwürdigkeit, aber das, was Shep dieser Tage nicht ertragen konnte, war das Fehlen eines Plans. Auf irgendeine seltsame mikrokosmische Weise deutete diese Kluft der Untätigkeit nach der Essensvorbereitung auf noch erschreckendere Abgründe. Das Muster des heutigen Abends von hektischer Betriebsamkeit zum freien Fall würde sich ständig wiederholen. Fieberhaft würde Shep jedem Bedürfnis nachkommen – jedes Arztrezept einreichen, Transport und Gesellschaft für jeden Termin arrangieren, Getränke holen, Kopfkissen aufschütteln und Füße hochlagern. Dann, plötzlich, würde nichts mehr – nichts mehr – überhaupt nichts mehr zu tun sein.
Er kontrollierte erneut, ob Glynis es bequem hatte auf der hinteren, verglasten Veranda. Etwas zu bequem; sie war in sich zusammengesackt und schlief. Das Zurechtmachen für den Abend hatte sie erschöpft. Er hätte ihr die Geselligkeit nicht aufzwingen dürfen. Das Timing war fürchterlich. Aber es hatte zweieinhalb Monate gedauert, bis ihre Freunde zum Essen herüberkamen. Er hatte nicht die Absicht, die Einladung zurückzuziehen und erneut mit Jackson umständlich ihre Terminkalender durchzugehen. Er rührte die Grillkohle um. Er hatte zu früh Feuer gemacht, es würde zu heiß werden für die Steaks. Achtzehn Dollar pro Pfund hatte er bezahlt. Es spielte keine Rolle. Wenn es allerdings keine Rolle spielte, ob sie verkohlten oder nicht, hätte er sich die Rumpsteaks ja gleich sparen können. Allmählich begann ihm der Grund zu entgleiten, warum sie die beiden zum Essen eingeladen hatten. Es entglitt ihm, warum sich Leute überhaupt zum Essen einluden. Was Leute groß miteinander zu reden hatten. Oder vielleicht war er vor allem unsicher, was er und Jackson noch zu reden hatten.
Schließlich nahm sich Shep den Wasserschlauch, ging im Garten umher und füllte seine verrückten Springbrunnen auf: den feierlich-kinetischen mit den Windrädern, Paddeln und der überfließenden Snoopy-Lunchbox aus Plastik, ein Geburtstagsgeschenk, das den neunjährigen Zach damals nicht begeistert hatte; der eher konstruktivistische zum Thema »Heimwerker«, bei dem das Wasser über Wasserräder und Spachtel und durch Rohrstücke floss. Die reine Willkür der Springbrunnen hatte ihn immer erheitert, doch in letzter Zeit erschienen ihm die Dinger nur noch albern, und er war dazu übergegangen, sie verächtlich und sarkastisch als seine »Wasseranlagen« zu bezeichnen. In einem Leben, das bestimmt wurde durch bittere Notwendigkeit, war Willkür verzichtbar.
Fast eine Stunde später als vereinbart stieg Jackson mit einem Armvoll alkoholischer Getränke aus dem Auto – nicht nur Wein und Bier, sondern auch Zutaten für Margaritas, als hätten sie verabredet, sich heute Abend die Kante zu geben. Vielleicht hätte Shep vorher anrufen und sie warnen sollen, dass die Umstände sich geändert hatten.
»Wisst ihr, was mich alle macht«, begann Jackson sogleich, vorausgesetzt, er hatte jemals aufgehört. »Dass mitten auf allen großen Kreuzungen in Brooklyn Verkehrspolizisten aufgestellt werden, die nichts anderes machen – wirklich nichts anderes – als vollkommen synchron mit den Ampeln den Verkehr zu regeln. Es sind menschliche Ampeln, mehr nicht. Brauchen wir wirklich irgendeinen aufgeplusterten Wichser, der nach links zeigt, wenn die Ampel auf Grün springt? Müssen wir dieses Arschloch dafür bezahlen, wie ’ne Vogelscheuche mitten in der Stadt rumzustehen, wenn die Ampel sogar ausnahmsweise funktioniert und sowieso leichter zu sehen ist? Man sieht nämlich nur dann mal keinen übereifrigen Staatsdiener , wenn die Ampel ausgefallen ist. Die Ampel fällt aus, die Hölle bricht los, und kein Cop weit und breit.«
Es versprach eine lange Nacht zu werden.
»Ach ja, und wisst ihr schon das Neueste aus dem Internet?«, fuhr er beim Limettenschneiden fort.
Jackson war genau wie die frisch aufgefüllten Springbrunnen im Garten, die den ganzen Abend durchblubberten und unermüdlich dieselben paar Liter Brauchwasser recycelten.
»Zum Beispiel unten in
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