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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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sagte Jackson, »könnte ich meine Salami nicht gegen Pepperoni tauschen?«
    »Ich stelle die Leute ein«, polterte Pogatchnik weiter, der nicht den geringsten Sinn hatte für derartige Scherze. »Ich hab sie nicht adoptiert, und ihre ganzen verdammten Familien schon gar nicht. Sie beide werde ich so schnell nicht los. Aber ich kann Ihnen sagen, mit dieser Scheiße, dieser riesengroßen Kommunistenscheiße von der Wiege bis zur Bahre, ist es vorbei . Ich heuere jemanden an, um den Leuten die Haare aus dem Abfluss zu fischen, und nicht, weil ich dessen krebskranke Frau mitfinanzieren will, bevor sie dann sowieso übern Jordan geht.«
    Pogatchniks Sprechpause hätte Shep die Gelegenheit zur Gegenwehr gegeben, doch seit dem »Mach’s gut, Arschloch!« neulich hielt sich der eigenmächtig degradierte Angestellte vorbildlich zurück.
    »Wenn ich weiter gezwungen werde, die ganze Bagage hier krankenzuversichern«, fuhr Pogatchnik fort, »dann wär’s das bald mit Handy Randy. Sie kennen doch wohl einen der Hauptgründe, warum die amerikanischen Unternehmen alle ins Ausland abwandern? Wegen der Krankenversicherung. Ich würde verdammt noch mal auch den ganzen Laden nach China verlegen, wenn meine Mexikaner zwischen Beijing und Queens pendeln könnten. Wenn Sie beide heute zu mir kämen, würde ich Ihnen einen Job geben. Und das wäre alles. Ein Job ist ein Job. Bei Krebs könnten Sie dann auf Ihre Kosten sterben.«
    »Und das wären also die ersten zehn Minuten von unserer Mittagspause gewesen«, murmelte Jackson, nachdem sie sich hinaus auf die 7th Avenue gerettet hatten. »Reicht nicht mehr für die Schlange bei Brooklyn Bread. Dann laufen wir wohl ein bisschen, was? Drecksau.«
    »Er ist, wer er ist«, sagte Shep, und damit steuerten sie auf Prospect Park zu.
    »ICH GEB’S NUR ungern zu«, sagte Jackson auf der 9th Street, »aber da ist schon was dran an dem, was Pogatchnik gesagt hat. Ich weiß auch nicht, was diese neuen Mitarbeiter machen sollen, wenn sie von einem Lieferwagen überfahren werden. Aber diese Leute haben teilweise riesige Familien. Wie soll eine kleine Firma wie Randy ihre ganzen Arztrechnungen tragen? Ich bin mir nicht sicher, warum das sein muss.«
    »Irgendjemand muss dafür aufkommen.«
    Sie hatten es so eilig gehabt, Pogatchnik den Rücken zu kehren, dass Shep vergessen hatte, seine Daunenweste auszuziehen, die er sich jetzt in den Rucksack stopfte. Die glühende Sonne war ein Segen nach der Eiseskälte im Büro, aber auch nur für wenige Minuten. Shep krempelte sich die Ärmel hoch; obwohl er vor Monaten das gemeinsame Eisenstemmen aufgegeben hatte, hatte er immer noch kräftige Arme. Was die kontinuierliche Gewichtszunahme des armen Kerls seit Januar anging, schwankte Jackson zwischen böser Genugtuung und Mitleid.
    »Aber die Sache mit dem Arbeitgeber, das ist doch ein historischer Glücksfall«, sagte Jackson mit Autorität; vermutlich wäre er in der Lage, diesen ganzen Spaziergang mit einem Monolog zu den entsprechenden Fakten zu füllen. Das war es doch, was echte Männer eigentlich miteinander austauschen sollten: harte Fakten. »Bis ungefähr 1920 gab es im Grunde überhaupt keine Krankenversicherung. Du hast eine Arztrechnung bekommen, und du hast sie bezahlt. Während des Zweiten Weltkriegs, als die Arbeiter knapp waren, haben die großen Firmen dann um die paar Männer gebuhlt, die nicht eingezogen worden waren, und als kleinen Anreiz die Krankenversicherung angeboten. Kostete nicht viel, weil die Leute damals sowieso meist überraschend und in jungen Jahren tot umgefallen sind. So viel konnte man für die medizinische Versorgung gar nicht ausgeben, weil damals die Chemotherapie noch gar nicht erfunden war. Pogatchnik hält sich für komisch, aber damals war eine extra Krankenversicherung eigentlich wirklich nichts anderes, als seinen Lakaien einen Pizzagutschein hinzuwerfen. Wobei die Pizza gar nicht das Problem ist, sondern die Versicherungsgesellschaften! Das sind elende Schmarotzer, die vom Leiden der Leute profitieren!«
    »Es sind halt private Unternehmen. Die sollen doch Gewinn machen.«
    »Genau das ist doch der Punkt, du Schwachkopf! Genau das ist der Punkt, verdammte Scheiße!«
    Sie hatten den Park erreicht; Jackson war wohl ein wenig laut geworden, denn eine Dame warf ihm aus der Nähe mit erkennbarer Großstadtbesorgnis einen Seitenblick zu und drehte ihren Kinderwagen hastig in die entgegengesetzte Richtung.
    Jackson gab sich Mühe, seinen Ton zu mäßigen. »Weißt du

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