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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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geißeln, ließ er seinen Schuldenberg noch mehr anwachsen. Mal beim Hunderennen, mal mit einem Zeitschriftenabonnement oder einem Oberteil von L. L. Bean, auf das er genauso gut hätte verzichten können; tatsächlich entdeckte Jackson mit großer Faszination, wie viel Geld man tatsächlich durchbringen konnte, ohne nennenswerte Verbesserungen in seinem Leben herbeizuführen oder irgendetwas Sinnvolles zu erwerben. Dieses Ersatzprassen wurde zu einem Spiel, einem kleinen Zeitvertrieb in Sachen Selbstquälerei, und er hatte eine perverse Freude an der Feststellung, dass man sein gesamtes Geld für nichts und wieder nichts verbraten konnte, ohne dass einen jemand davon abhielt . In einem halluzinatorischen Anfall fehlgeleiteter Frömmigkeit hatte er tatsächlich auf einer Website seine Kontonummer und Sozialversicherungsnummer eingeben und im Wert von vierzehntausend Dollar zehn abscheuliche Plastikleuchter kaufen können, und sie wären direkt von seinem Konto abgebucht worden.
    Sicher, das Haus wollte er nicht verlieren. Nicht nur war das Hypothekendarlehen noch offen; auch die ursprüngliche Hypothek war noch nicht abbezahlt. Doch die Vorstellung einer Zwangsvollstreckung war für ihn völlig abstrakt. Sie lebten in dem Haus. Er kehrte jeden Tag in das Haus zurück. Er hatte einen Schlüssel zu dem Haus. Seine Sachen hingen in den Kleiderschränken; die Lebensmittel für ihr Frühstück waren in der Küche gebunkert; seine Post wurde jeden Tag an die entsprechende Adresse geliefert. Die schiere Dreidimensionalität des Hauses, die große haptische Qualität und das Den-Großteilseines-Ehelebens-hier-geschlafen-Habende machten ihm die Aussicht auf Enteignung unbegreiflich, und was er nicht begreifen konnte, konnte auch nicht passieren.
    Gelegentlich dachte Jackson mit Bitterkeit zurück an die frühen Tage bei Allrounder, als er und Shep Seite an Seite draußen die Jobs gemacht hatten – als das Unternehmen im Grunde eine Zweimannfirma gewesen war, die zwar gelegentlich auch gelernte Klempner oder Elektriker unter Vertrag genommen hatte, aber sonst de facto eine Partnerschaft gewesen war. Beim Verkauf hätte Shep also eigentlich mit ihm Hälfte-Hälfte machen müssen. Shep hätte ihn auf dem Papier zu dem machen müssen, was er in der Praxis war. Dann wäre die Firma für diese lässige Million über den Ladentisch gegangen, und er hätte jetzt fünfhundert Mille, die ihn schmerzfrei über sein Rechnungsmeer getragen hätten. Oder aber er hätte ein Machtwort sprechen und sich weigern müssen, eine hastig aufgesetzte Übereinkunft zu unterschreiben, damit Shep sich sinnloserweise auf irgendeinen Misthaufen in der Dritten Welt absetzen konnte. Er hätte den Kerl ja unter Druck setzen können, damit er zugab, dass Pemba, genau wie die vielen willkürlichen Vorgänger, ein Hirngespinst war, das Shep im wahren Leben niemals in die Tat umsetzen würde. Dann wären sie nämlich die Chefs eines blühenden Online-Unternehmens, das viermal so viel wert war wie der Verkaufspreis von 1996, und nicht Randy Pogatchnik wäre reich, sondern Jackson Burdina.
    Im Februar in seiner Wabe kauernd, nahm Jackson erbittert zur Kenntnis, dass es, ausgerechnet, Valentinstag war. Kurzzeitig kam ihm tatsächlich in den Sinn, dass er losziehen und Carol ein letztes Mal um Gnade ersuchen könnte, ähnlich wie die vielen früheren, spektakulär gescheiterten Gnadenersuche. Aber er sah sie schon vor sich: ein Dutzend Rosen, die hastig in ein Gurkenglas gestopft wurden. Eine Packung Pralinen, gedankenlos auf ein Regal geschoben, begleitet von der Bemerkung, nur ja vor Heather nichts davon zu sagen. Nicht mal ein trockener Wangenkuss, sondern ein förmliches »Ach, danke, Jackson, das ist aber lieb von dir«, in ähnlich kühlem Tonfall, in dem seine Frau unliebsame Telefonwerber abzuwimmeln pflegte. Im Grunde hatte seine Frau ihn selbst, ihren eigenen Ehemann, abgewimmelt, und somit war essbare Reizwäsche komplett aus dem Rennen.
    Hatte er selbst denn gar kein Valentinsgeschenk verdient? Und warum sollte er sich lediglich ein weiteres Holzfällerhemd gönnen und sich nicht noch ein bisschen mehr verschulden, um sich etwas zu sichern, das er wirklich brauchte?
    Jackson hatte so etwas noch nie getan, aber wo Pogatchnik gerade nicht im Haus war, Shep mal wieder unerlaubt freimachte und seine Leute auf die tropfenden Wasserhähne dreier New Yorker Bezirke verteilt waren, gab er die Begriffe »Escortservice« und »Brooklyn NY« in seine

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