Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
Pemba?«
»Nein«, sagte Shep, um das Thema zu wechseln. »Aber ich denk mal, wir haben Glück. Wir leben in den Vereinigten Staaten. Wir haben die beste medizinische Versorgung auf der ganzen Welt.«
Jackson lachte schallend. »Das glaubst aber auch nur du. Ich würde sagen: Zwischen Glynis und ihren Ärzten hat sich ein ganzer Speckgürtel aus profitgeilen Versicherungsgesellschaften angelagert, ein Haufen übelster Abzocker, die sich an den Patienten gesundstoßen – so sieht’s aus. Und nicht einer davon weiß, wie man einen Arm in eine Schiene legt. Wenn man diese Wichser abservieren würde, könnte man für das Geld das ganze Land versichern, ohne jede Woche fünfzig verschiedene Rechnungen in seinem Briefkasten zu finden.«
»Ausgerechnet du willst, dass der Staat das Gesundheitswesen übernimmt?«, fragte Shep mit schiefem Lächeln und schüttelte den Kopf. »Jackson, du bist der größte Regierungsgegner überhaupt. Du bist Anarchist.«
»Diese Firmen stecken dermaßen mit der Regierung unter einer Decke, dass sie genauso die Regierung sein könnten«, konterte Jackson, der sich über Sheps selbstgefällige Verträumtheit ärgerte; schon möglich, dass seine Argumentation manchmal nicht ganz stringent war, aber zumindest las er Zeitung und recherchierte im Internet. Er dachte nach, anders als manche Leute, die nie etwas hinterfragten. »Was meinst du, warum kein halbwegs glaubwürdiger Präsidentschaftskandidat jemals den Vorschlag wagen würde, diese Blutsauger abzuschaffen? Außerdem, selbst wenn es der Staat nicht besser machen würde, schlechter geht’s auf keinen Fall. Das ganze Prinzip hinter einer Versicherung ist doch, dass gesunde Menschen und solche wie Flicka zu einer Gemeinschaft zusammengefasst werden sollen, um am Ende einen Ausgleich zu schaffen. Was könnte eine gerechtere ›Risikogemeinschaft‹ sein als das ganze verfluchte Land? Die Krankenversorgung ist das Einzige, wofür der verfluchte Staat gut sein sollte . Wenn man wenigstens zum Arzt gehen könnte, ohne gleich eine zweite Hypothek aufzunehmen. Man bezahlt seine Steuern, aber im Moment bekommt man nicht das Geringste dafür zurück. Ach so, sorry« – Jackson trat gegen die Asphaltkante –, »man kriegt Bürgersteige. Vergess ich immer.«
Eigentlich hatte er sich geschworen, den Mund zu halten, sich zur Abwechslung auf Sheps Probleme zu konzentrieren. Aber es hing nun mal alles miteinander zusammen. »Pass auf«, sagte er, während Shep auf den weiß gepuderten Park starrte, der im Winter wie eine ausradierte Zeichnung aussah. »Ich reg mich nicht einfach über irgendwas auf. Hier geht’s um dich und Glynis, und du hörst mir nicht mal zu.«
»Entschuldige. Es ist nur … wir haben jetzt unsere Zweitmeinung. Von zwei Cracks von der Columbia-Presbyterian. Die beiden arbeiten als Team, ein Internist und ein Chirurg. Und versteh mich nicht falsch: Sie waren toll. Irgendwie.«
»Irgendwie«, sagte Jackson und zwang sich zum Zuhören. Das gehörte nun mal nicht zu seinen Stärken.
»Ich wollte, dass sie irgendwas anderes sagen«, sagte Shep betrübt. »Dieses Mesotheliom, das ist unglaublich selten. Niemand bekommt diese Krankheit. Mir war gar nicht klar gewesen, wie sehr ich mich darauf verlassen hatte, dass sie sagen würden, das Ganze sei ein Riesenirrtum. Als sie die Diagnose bestätigten, hab ich gedacht, mir wird schlecht. Ehrlich, alles war verschwommen, und mir war schwarz vor Augen, als würde ich gleich umkippen. Wie ein Mädchen. Glynis war diejenige, die es aufgenommen hat wie ein Mann. Sie hatte schon resigniert.«
»Das ist wirklich hart, Kumpel.«
» Vor allem ist es für Glynis hart. Sie ist geschwächt und erschöpft, und sie hat Angst. Und sie ist fast den ganzen Tag allein, das heißt, wenn ich nach Hause komme, will ich und sollte ich nichts anderes tun, als ihr Gesellschaft zu leisten. Aber das kann ich nicht. Ich habe einfach keine Zeit. Wenn sich wenigstens jemand um den Papierkram kümmern würde. Allein wegen dieser Zweitmeinung musste ich mir die Dias aus der Pathologie kommen lassen. Die Berichte aus der Radiologie. Die Gewebeproben. Die Ergebnisse von jedem verfluchten Test aus jeder einzelnen Klinikabteilung – alles schriftlich. Ich war jeden Tag bis zwei Uhr morgens auf. Zwischendurch musste ich kochen. Einkaufen. Im Büro auftauchen und zumindest so tun, als würde ich meinen Job machen.«
»Ich wollte dich schon warnen. Ich hab zufällig mitbekommen, wie sich Pogatchnik beschwert hat,
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