Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
dass du dir so viel freinimmst. Du musst aufpassen mit deinen Fehlzeiten.«
»Ich hatte doch keine Wahl. Die beiden Cracks von der Columbia sind nicht im Vertragsnetzwerk, genau wie Dr. Knox vorausgesagt hatte. Also musste ich diese HMO-Leute anbetteln, dass sie Glynis’ Kosten für das Dreamteam decken. Du weißt schon, sie lassen einen eine Dreiviertelstunde in der Warteschlange, und man darf mehrere hundert Mal Greensleeves hören. Ich krieg das Lied gar nicht mehr aus dem Kopf; es macht mich wahnsinnig. Bei uns im Großraumbüro kann ich nicht stundenlang am Telefon hängen, es sei denn, das Gespräch dreht sich darum, dass irgendeine Frau dank unseres übertrieben professionellen Service vor ihrem explodierten Boiler sitzt.«
Shep hatte sonst immer einen so kühlen Kopf; selten hatte Jackson den Mann so viel reden hören.
»Könnt ihr denn nicht einfach bei diesem Knox bleiben?«
»Wir wollen kein einlagiges Klopapier. Wenn diese Ärzte an der Columbia wissen, was sie tun, dann lass ich für sie auch was springen. Es geht hier um Glynis’ Leben –«
»Jim!« Normalerweise hätte Shep die Anspielung auf Dr. McCoys scheinheiligen Standardspruch aus Raumschiff Enterprise lustig gefunden (Es geht hier um menschliches Leben, Jim!), aber er verzog nicht mal die Mundwinkel.
»Ich kaufe keine Putenburger-Medizin.«
»Du hast Glück, dass du immerhin ein finanzielles Polster hast. Die meisten armen Schlucker in deiner Haut würden erst mal alles auf ihre Kreditkarte nehmen.«
»Unter Glück versteh ich was anderes. Aber ja, ich hab Glück.«
»Gerade vielleicht nicht –«
»Ich bin reich«, fuhr Shep dazwischen, und Jackson kannte diesen Pastorensohn gut genug, um zu wissen, dass es keine Prahlerei war.
»Eigentlich sollte ich überhaupt nicht über Geld reden. Vielleicht wollte ich mir das alles einfach nur mal von der Seele reden, denn im Gegensatz zu Glynis … hab ich keinen Grund, mich zu beklagen. Erinnere mich bei Gelegenheit daran.«
»Ich hör dich sowieso kaum klagen. Ich würde an deiner Stelle ein bisschen mehr üben. Es ist nicht gut, wenn ein Mann jeden Scheiß im Leben einfach schluckt. «
»Wir schlucken ihn beide, Jackson. Nur dass du hin und wieder dein Maul aufreißt.«
»Übrigens, mir ist ein Titel für mein neues Buch eingefallen«, sagte Jackson, um die Stimmung aufzuhellen. »Pass auf: DIE SCHWANZLOSEN SCHAFE. Wie wir von Parasiten und Pennern wie unserem Vizepräsidenten gemolken werden. «
Ein müdes Lächeln. »Nicht schlecht.«
»Mir gefiel das mit den Schafen und dem Melken. Verstehst du, das ist ein und dasselbe Bild.«
»Nur die Parasiten stimmen irgendwie nicht. Werden Schafe denn von Parasiten gemolken?«
»Ich denk noch mal drüber nach.«
»Diese schwanzlosen Schafe. Ist dir schon mal aufgefallen, dass alle deine Titel immer was mit Schwänzen zu tun haben?«
Jackson warf seinem Freund einen beklommenen Blick zu. »Schwanz ab, meinst du? Tja, scheint wohl ein zentraler Punkt meiner These zu sein.«
»Die Sache mit der Kastrationsangst finde ich inzwischen … etwas abgedroschen. Mein Lieblingstitel von dir ist ganz puristisch.«
»Nämlich?«
»Die Demokratie ist ein Witz.«
»Stimmt. Der hat richtig Biss«, sagte Jackson mit Genugtuung.
»Meinst du, du wirst es jemals schreiben?«
»Vielleicht.« Jackson wollte sich nicht festlegen. »Aber der Clou ist und bleibt der Titel. Wenn man den erst mal hat, ist es völlig egal, was drin steht. Mit einem Titel wie Die Iren – Retter der Menschheit könnte man einen Stapel weiße Seiten verkaufen. Die Iren wären so geschmeichelt, dass sie fünfundzwanzig Eier zahlen und das Ding auf ihren Wohnzimmertisch legen würden.«
»Aber vielleicht ist das genau das Problem mit deinen Titeln. WASCHLAPPEN UND WICHSER «, erinnerte sich Shep. » Wie wir armen Würstchen ausgewrungen werden, während die andere Hälfte der Bevölkerung an der Mutterbrust liegt . Das ist ja wohl nicht gerade schmeichelhaft.«
»Es geht darum, dem Käufer das Gefühl zu geben, dass er nicht ganz so ein Vollidiot ist, weil er weiß , dass er ein Vollidiot ist, anders als alle anderen, die solche Vollidioten sind, dass sie’s nicht mal ahnen.«
AUF DEM RÜCKWEG schlug Shep den Kragen hoch und hüllte sich in seinen Schal. »Wie auch immer. In knapp zwei Wochen soll Glynis operiert werden.«
Jackson grunzte. »Kenn ich. Flickas Skoliose-OP war der Horror. Ich wollte niemanden mit einem Messer auch nur in die Nähe ihres Rückgrats
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