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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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hatte, hatte seine Frau immer empört. Glynis’ minimale Einkünfte machten sie nur umso besitzergreifender, wenn es um seine ging. »Oder hattest du vor, etwas dazu beizusteuern? Schließlich ist er auch dein Vater.«
    Beryl warf die Arme in die Luft und rief: »Woher nehmen, wenn nicht stehlen! Meinst du, ich hätte im Lotto gewonnen, und du hast an dem Tag nur keine Zeitung gelesen? Die Filmförderung für das Kinderlosigkeitsprojekt ist schon aufgebraucht, und ich muss den Film aus eigener Tasche zu Ende drehen – von dem bisschen, was ich habe. Ist ja nicht so, dass ich ein Arschloch wäre. Ich bin einfach nur total blank.«
    Arm zu sein war gewiss anstrengend, doch einen Augenblick lang beneidete Shep seine Schwester um die entspannende Seite der Armut. Geldnot nahm seiner Schwester in vielen Dingen die Last der Verantwortung ab, von der Instandhaltung der Williamsburg Bridge bis hin zur Pflege seines Vaters. Doch selbst wenn Beryl das war, was Juristen als »unpfändbar« bezeichnen, befreite es sie nicht von anders gearteten Urteilen, und in diesem Moment schien es wichtig, sich dezidiert auf die Seite seiner Frau zu schlagen. »Es ist deine Idee, Papa in ein Seniorenheim zu geben, du erwartest aber, dass wir die Rechnung übernehmen.«
    »Hast du Allrounder nicht für ungefähr eine Million Dollar verkauft? Großer Gott, Shep!«
    In seinem nächsten Leben würde er die Klappe halten. »Meine Quellen sind nicht unerschöpflich. Ich hab da noch gewisse andere … Verpflichtungen. Und wenn Papa die nächsten fünf bis zehn Jahre einigermaßen bei Gesundheit bleibt, könnte dein Vorschlag dazu führen, dass irgendwann wir total blank sind.«
    Beryls Augen funkelten vor Wut; unter anderen Verpflichtungen stellte sie sich offenbar den Kauf eines iPod für Zach vor. »Na ja … und wenn Papa hier einziehen würde? Ihr habt doch Amelias altes Kinderzimmer.«
    »Nein«, sagte Shep rundheraus und ärgerte sich über sich selbst, denn ein Großteil dieses Gesprächs hätte sich vermeiden lassen können, wenn er schon im Auto mit den Neuigkeiten herausgerückt wäre. »Nicht jetzt.«
    »Und was ist mit deiner Wohnung?«, fragte Glynis. »Für Manhattaner Verhältnisse ist sie der reinste Palast. Und wenn du finanziell schon nichts beisteuern kannst …«
    »Das ist wahr«, sagte Shep und spielte mit. »Und ich könnte dir mit den Nebenkosten aushelfen.«
    Natürlich würde die frisch gefälschte kindliche Sorge seiner Schwester niemals so weit gehen, selbst Unbequemlichkeiten auf sich zu nehmen, und er glaubte, dass sie Beryl nun ausreichend in die Enge getrieben hatten. Jetzt spiegelte sich Zorn anstelle von Missmut in ihrem Blick.
    »Sorry, aber ist nicht«, sagte Beryl knapp, siegesgewiss. »Das gehört zu den Dingen, die ich mit dir besprechen wollte.«
    Es war das Ding, vermutete Shep, das sie mit ihm besprechen wollte. Sie zogen in die Küche, wo die Lasagne schon leicht angebrannt war.
    VIELE JAHRE LANG hatte Beryl auf der West 19th Street in einem Haus ohne Fahrstuhl in einer immens großen Wohnung mit hohen Decken und sämtlichen Originaleinbauten gewohnt und lächerlich wenig dafür gezahlt. Bei ihren vielen unbeständigen Romanzen hatte ihr der Besitz dieser Dreizimmerwohnung eine unverhältnismäßige Machtposition zugesichert. Sie konnte ihren Partnern immer damit drohen, sie hinauszuwerfen aus einer Bleibe, deren Speisekammer größer war als jede Wohnung, die sie sich selbst hätten leisten können. Dass ihre Kerle sie für ihre Mietwohnung liebten, hätte Shep nun auch wieder nicht behaupten wollen, aber wenn sie sich in Beryl verliebten, verliebten sie sich zunächst einmal in ihre Wohnung.
    Das Gebäude gehörte zur schwindenden Zahl von Häusern, die noch durch das nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführte anachronistische System der Mietpreisbindung gedeckt waren. Die Besitzer dieser geschützten Häuser waren derart verzweifelt bemüht, ihre Mieter loszuwerden und die Wohnungen wieder auf den freien Markt zu werfen, dass in den Statuten ausdrücklich geregelt wurde, was geschah, wenn die Hausbesitzer in ihren eigenen Gebäuden Feuer legten.
    »Jedes Mal, wenn ein Mieter gestorben ist«, erzählte Beryl und spießte ein Salatblatt auf ihre Gabel, »und ich meine, die Leiche ist noch warm – wusch, kommen auch schon die Arbeiter und fangen an zu renovieren. Und dass die ganzen grandiosen Gesimse und Kerzenleuchter entfernt werden, versteht sich natürlich von selbst! Die Wohnungen werden total

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