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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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da er entschlossen gewesen war, sich schnell und heimlich den Eingriffen zu unterziehen, hatte er darauf bestanden, das Ganze in einem Aufwasch zu erledigen. Vielleicht hätte er stutzig werden sollen, als der Arzt gegen einen Aufpreis nachgab. »Mmm … sieben oder acht.«
    » Achttausend Dollar! Mein Gott, woher hattest du das Geld?«
    Normale Männer, echte Männer, hatten den Geldhahn ihrer Familie unter Kontrolle – im Burdina-Haushalt aber herrschte Carol über jedes Zehn-Cent-Stück. »Beim Hunderennen«, sagte er kleinlaut.
    »Du hast mir versprochen , dass du aufhören würdest zu spielen!«
    »Sieh mal, die Chancen, dass sich dieses elende Gen über den distalen Arm des neunten Chromosoms unserer beider Familien durch alle Generationen hindurch bis zu Flicka fortgepflanzt hat, müssen zehntausend zu eins gestanden haben! Da werd ich ja wohl aus meinem Naturtalent beim Glücksspiel ein bisschen Profit schlagen dürfen.«
    »Ich fass es nicht, dass ich dieses Desaster irgendeinem armseligen Windhund zu verdanken habe, der zufällig einen guten Tag hatte. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich dem blöden Köter ein Brett über den Schädel schlagen.«
    »Ich hab seitdem nicht mehr gewettet. Ehrenwort.«
    Natürlich war diese Version der Ereignisse vollkommener Humbug, doch diese Geschichte war ein Geständnis zu seinen Ungunsten, weswegen sie ihm glaubte. In Wahrheit hatte er sich endlich ein eigenes Konto zugelegt – war das so empörend, dass ein vierundvierzigjähriger Mann sein eigenes Bankkonto hatte? –, auf dem Jackson die Trinkgelder und Erträge der durchaus nicht hypothetischen Jobs deponierte, die er seit Jahren bei Pogatchnik absahnte. Er hatte nebenbei nicht genug Kapital angehäuft, um mehr als das monatliche Minimum der Kreditkarten zu bezahlen, von denen Carol ebenfalls nichts wusste, ebensowenig wie von der Visakarte, zu deren Lasten 8700 Dollar zur Zerstörung seines Lebens gegangen waren. Carol machte sich immerzu Sorgen und wollte unbedingt die Hypothek abbezahlen, die sie aufgenommen hatten, um für Flickas Skolioseoperation aufzukommen und für alles, was dazukam. Er hatte keine Freude an der finanziellen Heimlichtuerei, betrachtete sie aber als edelmütiges Opfer zum Schutz des bisschen Seelenfriedens, das seiner Frau geblieben war.
    Mit geschlossenen Augen rieb sich Carol übers Gesicht und atmete in ihre Hände. Während sie sich sammelte, fragte er sich, ob er jetzt davon ausgehen konnte, dass sie aufgehört hatte zu schreien.
    »Tut das weh?«, fragte sie schließlich. »Es sieht aus, als würde es wehtun.«
    »Ja, es tut weh.«
    »Sehr?«
    »Sehr.«
    »Lass mich mal einen Blick drauf werfen.« Sie berührte seinen Oberschenkel, und aus ihrer sanfteren Miene schloss er, dass keine Gefahr drohte. Er zog die Hände zurück und öffnete die Knie. Sie hockte sich vor seinen Schwanz und griff vorsichtig nach dem Schaft, ähnlich wie man im Tierheim mit einem verängstigten Hund Kontakt aufnimmt, der von seinem früheren Herrn halb zu Tode geprügelt worden war. Als sie ihn erst zur einen, dann zur anderen Seite bewegte, zuckte er zusammen. »Welcher Pfuscher war das?«
    »Den Namen hab ich von meinem Cousin Larry, als wir im letzten Sommer mal ein Bier trinken waren. Larry meinte, der Arzt wäre ein ›echter Künstler auf dem Gebiet‹, und seine Freundin hätte sich nicht mehr eingekriegt bei dem Ergebnis. Den von Larry hat er viel größer gemacht – oder ›noch größer‹, wie er sagte. Mann, Larry hat das einfach so erzählt, nicht so verdruckst und verschämt. ›Das ist man sich schuldig‹, hat er gesagt. Der war so gut auf diesen Typen zu sprechen, dass er sogar noch mal hin wollte, um sich die nächstgrößere Größe machen zu lassen.«
    Sie verdrehte die Augen. »Als könnte man sich einen Penis bestellen wie ein Paar Schuhe. Hast du dir das Ergebnis von Larrys Operation denn angesehen?«
    »Natürlich nicht! Du fragst doch keinen Kerl, ob er mal eben seinen Schwanz rausholt, wenn man zusammen in einer Bar sitzt. So ’ne Bar war das nicht.«
    Behutsam berührte Carol mit der Handfläche die Nähte. »Fühlt sich heiß an. Funktioniert er denn noch?«
    »Irgendwie schon. Ich hab noch nicht sehr viel damit experimentiert. Tut zu sehr weh.«
    »Er ist so geschwollen, dass man schwer sagen kann, wie er aussehen wird, wenn die Schwellung zurückgeht. Aber er ist total entzündet. Am Ende holst du dir noch eine Blutvergiftung. Hast du Antibiotika

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