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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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niemals hingefahren waren, war das mit »Insel Pemba« beschriftete Notizheft so gut wie leer. Daneben lehnte ein Ordner mit Ausdrucken. Da er keine eigenen Notizen und Schnappschüsse hatte, bestand der Pemba-Ordner auf seiner Festplatte aus Links auf Reiseseiten und anderer Leute Urlaubsfotos. Mit wenig Geduld für abstrakte Recherchen hatte Shep lediglich genug Hintergrundwissen gesammelt, um einen Vortrag auf Grundschulniveau halten zu können. Pemba lag fünfzig Meilen nördlich von Sansibar. Da die Insel von den Portugiesen kolonialisiert worden war, wurde von den Einheimischen noch immer alljährlich ein Stierkampf abgehalten. Auf den Plantagen wurden nicht nur Nelken, sondern auch Reis, Palmen, Kokosnüsse und Mangos angebaut. Zur einheimischen Fauna zählten fliegende Füchse, Sumpfmangusten, Kokoskrebse und der rote Colobus-Affe. Natürlich war die Küche auf Meeresfrüchte ausgerichtet: Oktopus, Königsmakrelen, Garnelen.
    Königsmakrele hatte er noch nie gegessen, und er hätte sie gern mal probiert.
    Die Einwohnerzahl betrug 300 000, wobei die Zählung veraltet war. Es gab nur eine Handvoll Exilanten, die meisten davon Hoteliers. Doch je länger das Jenseits in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte, desto weniger war Shep der Meinung, dass er »Gleichgesinnte« brauchte; vielleicht würde ein schrulliger Nachbar weiter oben am Strand schon reichen, damit seine Zunge nicht gänzlich am Gaumen festwuchs. Die Insel ließ nur eingeschränkten Tourismus zu, und dass sie so schwer zu erreichen war, kam ihm entgegen. Wenn die Insel schwer zu erreichen war, war auch er dort schwer zu erreichen, und genauso schwer würde es sein, wieder wegzukommen.
    Er hatte die Namen der Orte transkribiert, um sie alle aussprechen zu können: Kigomasha, Kinyasini, Kisiwani. Chiwali und Chapaka. Piki, Tumbi, Wingi, Nyali, Mtambili und Msuka. Oder Bagamoyo , ein Dorf, das übersetzt »bewahre ein kühles Herz« bedeutete. Er liebte die Vorstellung, an einem Ort zu wohnen, den sein Rechtschreibprogramm nicht erkannte – und mit einer roten Zickzacklinie unterschlängelte. Er liebte die Aussicht, auf einem Flughafen namens Chaka Chaka zu landen. Als er seinen Mut zusammennahm, um Glynis sein Vorhaben zu verkünden, hatte er ein paar Sätze auswendig gelernt, und schon da waren ihm die lebhaften Jubellaute des Suaheli ans Herz gewachsen. Früher hatten ihn Fremdsprachen immer eingeschüchtert. Von allen Aufgaben, die ihm das Jenseits bescheren würde, hätte ihm am meisten widerstrebt, Bulgarisch lernen zu müssen oder, schlimmer noch, eine dieser subtilen tonalen Sprachen wie Thai. Aber Suaheli war eine Spielzeugsprache voller Wiederholungen von der Art, wie sie kleine Kinder erfinden: polepole, hivi hivi, asante kushukuru. Die Sprache machte ihm keine Angst. Sie kam ihm vor wie ein Spiel.
    Ähnlich verstohlen, wie man sich Pornos aus dem Internet runterlädt, schob Shep sein Scheckbuch zur Seite und zog die Zimmertür heran. Er schaltete seinen Computer ein und suchte nach den Links. Auf dem Bildschirm tauchte blaues, klares Wasser auf. Der Sand war nicht nur hell und fein, sondern wunderbar menschenleer. Er war nicht naiv, was Strände anbelangte. Er verherrlichte sie nicht, mit ihrem grellen, unerbittlichen Weiß. Er wusste genau, wie heiß sie werden konnten, wie monoton; er wusste, wie die Haut spannte, wenn Salzwasser darauf getrocknet war; wie sich der Sand in die Kopfhaut grub, wie er sich in die Bindungen von Taschenbüchern fraß und einem ins Haus folgte. Er wusste, dass es Fliegen gab. Aber nur weil man in der Nähe eines Strandes lebte, musste man sich ja nicht von früh bis spät auf eine Decke in den Sand knallen. Bei Sonnenuntergang würde die Hitze nachlassen, die Farben würden intensiver leuchten. Und egal, wie sehr man sich an die Aussicht gewöhnte, an die Vögel, die Kokoskrebse, die bei Ebbe über den Sand huschten, keine dieser Aussichten könnte jemals so ermüdend werden wie die Einkaufszentren von Elmsford, New York.
    »Shepherd?«
    Glynis hing im Türrahmen und drückte sich ein Taschentuch vors Gesicht. Über ihren Arm lief Blut. In seiner Hektik brauchte Shep einen Takt zu lange, um den Strand zu minimieren. Obwohl sie den Kopf zurückgeneigt hatte, waren ihre gelb unterlaufenen Augen geöffnet. Tatsächlich wäre er weniger peinlich berührt gewesen, wenn sie nackte Brüste oder eine Möse auf seinem Bildschirm gesehen hätte.
    »Schon wieder Nasenbluten«, sagte er überflüssigerweise, um abzulenken

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