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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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genommen?«
    »Eine Packung. Aber damit bin ich durch. Ich hab Bacitracin draufgetan.«
    Sie berührte seine Wange, und er roch die Infektion an ihren Fingern. »Wir müssen dich ins Krankenhaus bringen.«
    Jackson sah weg. »Ist mir zu peinlich.«
    »Immer noch besser als eine Blutvergiftung. Und wenn du wartest, bis es noch schlimmer wird, fällt er dir am Ende noch ab. Ehrlich, wenn die Kinder nicht wären, würde ich jetzt sofort mit dir in die New-York-Methodist fahren. Morgen nimmst du dir frei, und sobald die beiden in der Schule sind, fahren wir in die Notaufnahme. Ich komme mit. Auch wenn du’s eigentlich nicht verdient hast.«
    »Carol, es ist mir total wichtig, dass niemand was davon erfährt, okay? Bitte erzähl es nicht weiter. Wenn sich das bei Allrounder rumspricht, kann ich einpacken.«
    »Weiß Shep davon?«
    »Nein! Shep darf das auf keinen Fall wissen.«
    »Es ist mir ein Rätsel, was Männer unter einem ›besten Freund‹ verstehen. Was hat man davon?«
    »Versprich’s mir einfach.«
    »Ich werde wohl kaum an die große Glocke hängen, was für einen Vollidioten ich geheiratet habe. Außerdem bist du doch derjenige, der nie die Klappe halten kann. Du hast schließlich gegen Sheps Willen der ganzen Belegschaft von Glynis erzählt.«
    »Es war nur zu seinem Besten. Die haben ihn ständig wegen Pemba aufgezogen, und Pogatchnik hat dann wirklich eine Weile auf Mitleid gemacht, und Shep hatte das Arschloch vom Hals.« Ihre Vorwürfe kümmerten ihn nicht; er war froh über jedes andere Thema als seinen Penis . Nachdem sie sich die Zähne geputzt hatten, zog Carol ihren Morgenmantel aus und schlüpfte nackt unter die Bettdecke.
    »Jetzt, wo du’s weißt«, sagte er und dachte dabei, dass es gar nicht so leicht war, etwas Gutes in der Sache zu sehen, »muss ich wenigstens nicht mehr in meinen Boxershorts schlafen.«
    Carol wandte sich von ihm ab und schaltete das Licht aus. »Eigentlich wär’s mir lieber, Schatz, du würdest sie wieder anziehen.«

Kapitel 10
Shepherd Armstrong Knacker
Merrill Lynch Konto-Nr. 934 – 23F917
01. 04. 2005 – 30. 04. 2005
Gesamtnettowert des Portfolios: $ 571 264,91
    Er wusste, dass es ein Fehler war. Doch sein ganzes Leben lang hatte er ein Auge auf die Zukunft gehabt – naiverweise unter der Annahme, dass es immer eine geben würde. Wenn er überhaupt vor seinem inneren Auge einen Schlussstrich gezogen hatte, dann war er weiß gewesen und hier und da mit Mangroven bewachsen, mit handgeschnitzten Kanus getupft, von farbenfrohen kangas erleuchtet. Wenn Shep Knacker im Begriff war, irgendwo einen Schlussstrich zu ziehen, dann in den Sand der Küste Pembas.
    Er saß oben in seinem Arbeitszimmer und stellte Schecks aus. Obgleich das Zimmer wirklich nur ein Arbeitszimmer war und sonst nichts, hatte ihm sein Steuerberater davon abgeraten, das Zimmer von der Steuer abzusetzen. So etwas falle sofort auf, sagte Dave, und die Gefahr einer Prüfung durch das Finanzamt werde ungleich größer. Jeden April – und der letzte Monat war keine Ausnahme – schimpfte Jackson, dass die Frage »Haben Sie Ihr Arbeitszimmer steuerlich geltend gemacht?« ganz oben auf Seite 1 der Steuererklärung stand, sozusagen direkt hinter der Frage nach Namen und Anschrift. »Wird man etwa gleich auf Seite 1 gefragt, ob man sein Druckerpapier steuerlich geltend gemacht hat?«, schimpfte er. Dieses eine Kästchen ist reine Schikane, um einen davon abzubringen, die einzige Sache einzutragen, die man rechtmäßig absetzen könnte und die diesen Gangstern vielleicht mehr wegnehmen könnte als einen heißen Marmeladendonut.« Wenn das eine Einschüchterungstaktik war, funktionierte sie jedenfalls bestens.
    Und wenn man bedachte, welche Summen in den letzten Monaten aus diesem Zimmer geflossen waren, fielen ein paar Tausender mehr oder weniger für die Steuer ohnehin kaum ins Gewicht: Die Restaurantbesuche mit der Verwandtschaft aus Arizona an den Abenden, an denen er nicht in der Lage gewesen war, sich eine weitere kohlenhydratfreie Mahlzeit aus den Fingern zu saugen; astronomische Heizkosten, weil Glynis ständig fror und er trotz des ungewöhnlich frostigen Frühjahrs das Haus auf 26 Grad heizen musste, manchmal höher, wenn sie Schüttelfrost bekam; Laborrechnungen für die Bluttests, wobei ihr von den Spritzen immer noch flau wurde; und natürlich, was alle anderen Summen lächerlich gering aussehen ließ, die Operationen, die ein mächtiges Loch in das Merrill Lynch Konto rissen, gleichsam

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