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DIESES MAL IST ALLES ANDERS

DIESES MAL IST ALLES ANDERS

Titel: DIESES MAL IST ALLES ANDERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CARMEN M. REINHART , KENNETH S. ROGOFF
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Milliarden Dollar. Führende Köpfe aus dem Finanzsektor argumentierten, ihre hohen Renditen seien in der Tat das Ergebnis von Innovation und echten Mehrwert generierenden Produkten, wobei sie die latenten Risiken, die ihre Unternehmen eingingen, grob unterschätzten. (Denken Sie daran, dass ein integraler Bestandteil unserer Arbeitsdefinition des »Dieses Mal ist alles anders«-Syndroms die Überzeugung ist, »die alten Bewertungsregeln hätten ihre Gültigkeit verloren«.) In ihren Augen stellten die Finanzinnovationen die zentrale Plattform dar, auf der die USA im Ausland effektiv größere Geldsummen leihen konnten, als es andernfalls möglich gewesen wäre. Innovationen wie beispielsweise die Verbriefung ermöglichten den US-Verbrauchern, ihre zuvor illiquiden Immobilienaktiva in Geldmaschinen zu verwandeln, was zu einer Rückentwicklung der Sparquote führte. 13
    Welche Position vertraten die Wissenschaftler und Politikökonomen im Hinblick auf die Gefahren des US-Leistungsbilanzdefizits? Ihre Einschätzungen deckten die ganze Bandbreite an Meinungen ab. Auf der einen Seite argumentierten Obstfeld und Rogoff in mehreren Beiträgen, das gewaltige US-Leistungsbilanzdefizit sei auf Dauer wahrscheinlich nicht haltbar. 14 Wenn man die gesamten Überschüsse aller Länder zusammenzähle, die zu den Nettosparern gehören (Länder, in denen die nationalen Ersparnisse höher sind als die nationalen Investitionen, einschließlich ­China, ­Japan, Deutschland, Saudi-Arabien und Russland), so ihr Wortlaut, absorbierten die USA in den Jahren 2004 bis 2006 mehr als zwei Drittel dieser Dollarersparnisse. Daher müsse die US-Verschuldungsorgie schließlich ein Ende finden, möglicherweise sogar ein sehr abruptes. Und das würde in starken Assetpreisausschlägen resultieren, die eine ernste Belastung für das komplexe globale Derivatesystem bedeuten könnten. 15 Viele andere vertraten einen ähnlich besorgten Standpunkt. Im Jahr 2004 prognostizierten Nouriel Roubini und Brad Setser zum Beispiel, das US-Verschuldungsproblem würde sich drastisch verschlimmern und 10 Prozent des BIP erreichen, bevor es zu einem dramatischen Kollaps käme. 16 Paul Krugman (der 2008 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde) argumentierte, es würde unweigerlich zu einem » Wile-E.-Coyote « -Moment kommen, in dem sich die mangelnde Tragfähigkeit des US-Leistungsbilanzdefizits offenbaren und der Dollar schlagartig einbrechen werde. 17 Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für wissenschaftliche Beiträge, die diese Risiken illustrieren. 18
    Dennoch vertraten viele angesehene Wissenschaftler, Politik- und Finanzmarktforscher eine wesentlich optimistischere Sicht. In einer Reihe einflussreicher Kommentare schrieben Michael Dooley, David Folkerts-Landau und Peter Garber – das »Deutsche-Bank-Trio« –, das riesige US-Leistungsbilanzdefizit sei lediglich eine natürliche Folge der Anstrengungen der Schwellen- und Transformationsländer, ein exportbasiertes Wachstum herbeizuführen, sowie ihres Bedürfnisses, in sichere Vermögenswerte zu diversifizieren. 19 Das System, das die US-Defizite propagierte, bezeichneten sie erkenntnisreich als »Bretton Woods II«, weil die asiatischen Länder ihre Währungen praktisch fest an den US-Dollar gebunden hatten, so wie es die europäischen Länder 40 Jahre zuvor getan hatten.
    Der Harvard-Ökonom Richard Cooper argumentierte zudem eloquent, das US-Leistungsbilanzdefizit habe logische Grundlagen, die nicht automatisch klare und präsente Gefahren implizierten. 20 Zur Unterstützung seiner These wies er auf die Hegemonie der USA im globalen Finanz- und Wertpapiersystem sowie auf die außerordentliche Liquidität der US-Finanz- und -Immobilienmärkte hin. Bernankes Rede über den globalen Sparstau stellte in vielerlei Hinsicht eine Synthese der interessanten Ideen dar, die in der wissenschaftlichen und politischen Forschungsliteratur bereits kursierten.
    Hier soll auch erwähnt werden, dass andere, wie zum Beispiel Ricardo Hausmann und Federico Sturzenegger der Kennedy School of Government der Harvard University, exotische Argumente äußerten, indem sie die These vertraten, die Auslandsaktiva der USA seien falsch bemessen und würden die offiziellen Schätzungen tatsächlich bei Weitem übertreffen. 21 Die Existenz dieser »dunklen Materie« erklärt, wie die USA eine scheinbar endlose Serie an Leistungs- und Handelsbilanzdefiziten finanzieren konnten. Ellen McGrattan aus Minnesota und Ed Prescott aus Arizona (ein

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