DIESES MAL IST ALLES ANDERS
machen, die vor harten Ausgaben- und Steuerentscheidungen zurückschrecken.
Dieses Kapitel liefert einen statistischen Rahmen für die Betrachtung gehäufter Zahlungsausfälle im Hinblick auf die Unfähigkeit einiger Länder, der Versuchung zu widerstehen, sich wiederholt Schuldenkrisen auszusetzen. Leser, welche die technische Diskussion in den folgenden zwei Kapiteln überspringen möchten, können ohne größere Kontinuitätsverluste zum Kapitel über Auslandsschuldenkrisen weiterblättern.
Schuldenintoleranz wird als die extreme Zwangslage definiert, in die viele Schwellen- und Transformationsländer bei einer Auslandsverschuldung geraten, deren Höhe nach den Standards entwickelter Ökonomien als durchaus tragfähig gilt. Eine solche Zwangslage beinhaltet typischerweise einen Teufelskreis des Verlusts an Marktvertrauen, einer Aufwärtsspirale der Zinssätze auf Auslandsschulden und der politischen Weigerung, die Schulden an die ausländischen Gläubiger zurückzuzahlen. Letztlich treten Zahlungsausfälle oft bei einer Schuldenquote auf, die deutlich unter 60 Prozent des BIP liegt, wie sie im europäischen Maastricht-Vertrag festgelegt wurde – eine Klausel, die dazu dienen soll, das Euro-System vor staatlichen Zahlungsausfällen zu schützen. Wie sich herausstellt, hängen sichere Schuldenschwellen stark von der individuellen Zahlungsausfalls- und Inflationsbilanz eines Landes ab. 1
Schuldenschwellen
Dieses Kapitel ist ein erster Schritt zum Verständnis, warum ein Land für wiederkehrende Zahlungsausfälle anfällig sein kann, und entwickelt anschließend einen quantitativen Maßstab der Verwundbarkeit für einen marginalen Schuldenanstieg beziehungsweise für »Schuldenintoleranz«.
Nur wenige Volkswirte wären überrascht, zu erfahren, dass Schwellen- und Transformationsländer mit einer Gesamtschuldenquote von mehr als 100 Prozent ihres BIP einem erheblichen Zahlungsausfallsrisiko ausgesetzt sind. Selbst unter entwickelten Ökonomien gelten Japans Schulden in Höhe von rund 170 Prozent seines BIP (abhängig von der verwendeten Schuldendefinition) als problematisch (Japan verfügt über massive Fremdwährungsreserven, doch selbst seine Nettoschuldenquote in Höhe von 94 Prozent des BIP ist sehr hoch). 2 Zahlungsausfälle in Schwellen- und Transformationsländern können jedoch selbst bei weitaus niedrigeren Schuldenquoten eintreten – und das geschieht auch –, wie einige bekannte Auslandsschuldenkrisen demonstrieren (zum Beispiel Mexiko im Jahr 1982 mit einer Schuldenquote von 47 Prozent und Argentinien im Jahr 2001 mit einer Schuldenquote von knapp über 50 Prozent).
Unsere Untersuchungen über die Schuldenschwellen aufstrebender Ökonomien beginnt mit der Chronologie aller Episoden der Zahlungsausfälle oder Umschuldungen von Auslandsschulden für Länder mit mittlerem Einkommen in den Jahren 1970–2008, wobei ein Zahlungsausfall nach den in Kapitel 1 beschriebenen Definitionen bestimmt wird. 3 Dies ist nur ein erster Schritt in der Datierung von Auslandsschuldenkrisen. Später werden wir ein viel breiteres Spektrum an Ländern über eine wesentlich größere Zeitspanne betrachten. Für jedes Land mit mittlerem Einkommen sind in der Tabelle das erste Jahr der Schuldenkrise beziehungsweise der Umschuldungsphase genannt sowie die Schuldenquoten gemessen am BIP und die Auslandsschulden gemessen an den Exporten am Ende des Jahres der Schuldenkrise – das heißt zu dem Zeitpunkt, an dem der technische Zahlungsausfall begann. 4 Ganz offensichtlich waren die zuvor erwähnten Auslandsschuldenkrisen in Mexiko im Jahr 1982 und Argentinien in 2001 keine Ausnahmen, noch war es die jüngste Auslandsschuldenkrise in Ecuador im Jahr 2008. Tabelle 2.2, die sich aus Tabelle 2.1 ableitet, zeigt, dass die Auslandsschulden nur in 16 Prozent der Zahlungsausfälle beziehungsweise der Umschuldungen mehr als 100 Prozent des BIP betrugen, dass mehr als die Hälfte aller Zahlungsausfälle bei Schuldenquoten von weniger als 60 Prozent auftrat und dass es in fast 20 Prozent der Fälle bereits bei Schuldenquoten von weniger als 40 Prozent zu Zahlungsausfällen kam. 5 (Die in Tabelle 2.1 genannten Auslandsschuldenschwellen gemessen am BIP sind nach oben verzerrt, weil die Schuldenquoten aus den Jahren der Schuldenkrisen von der realen Wechselkursabwertung in die Höhe getrieben werden, die mit solchen Krisen üblicherweise einhergeht – ausgelöst durch eine Flucht inländischer und ausländischer Investoren aus der
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