Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
Vom Netzwerk:
gekommen. Vignolo ist in Nebel eingehüllt, alle Tierstimmen draußen sind gedämpft, Civetta, der Nachtvogel, klingt wie durch einen Karton Watte. Sharon! Wir passen zusammen und ineinander wie unsere Ringe. Kein Sprung, nicht der kleinste Kratzer ist zu sehen auf dem Gold unserer Ehe (Habe ich das nicht schön gesagt?). Ich liebe Dich. Nicht sehr originell der Satz. Comunque: Ich werde ihn Dir wiederholen mein ganzes Leben lang, jeden Tag. Ich habeden Satz auch schon anderen gesagt, aber da war ich noch dumm und wusste nicht, was Liebe ist – wie auch. Das habe ich erst durch Dich kennen gelernt. Liebe. Die grenzenlose, selbstverständliche Sicherheit, die Ruhe und die Leidenschaft, das Bett und der Kochherd, das Ausflippen und das Alltägliche – alles zusammen und alles so selbstverständlich wie Tag und Nacht. Mann und Frau. Paradise now? Yes! Ich bin Dein Alexander Maximilian Gabriel.
    Sharon verlor sich wieder in Träume um Alexander, träumte sich nach Vignolo, in das Bett unter dem rauschenden Regen, zurück in das Tal der Propheten, das Valle Argentina hieß.
     
    Das Büro des Anwalts Ferdinand Dietl lag in der Theatinerstraße. Von einer Passage aus, in der Kaffee- und Parfumgerüche sich aufdringlich mischten, führte ein Fahrstuhl in den vierten Stock, in ein Büro, das angefüllt war mit schwarzen Ledermöbeln und Gemälden in schweren Goldrahmen. Sharon erhoffte sich mit Hilfe des soliden Büros den Absprung aus dem Number Six in eine unantastbare, transparente Arbeitswelt, deren sie sich nicht zu schämen brauchte. Sharon wollte ohne Schuld sein wie Alexander. Vielleicht könnte Dietl sie über die Hindernisse, die sie von Alexander trennten, hinwegheben. Denn Sharon hatte keine Zeugnisse, keine Ausbildung. Bei der Zahal hatte sie allerdings ein Jahr in der Schreibstube gearbeitet. Maschinenschreiben konnte Sharon, ihr Schriftdeutsch war allerdings mangelhaft, doch Sharon konnte Karteien führen, eine Registratur einrichten oder betreuen, sie kannte sich im Wareneinkauf aus.
    Ferdinand Dietl küsste Sharon die Hand, seine Sekretärin brachte Kaffee und Cognac. Dietl sagte, dass er informiert sei. Er, Dietl, sei gestern in der Bar gewesen und habe auf Sharon gewartet, da habe Felngruber ihm gesagt, dass Sharon nicht mehr mitarbeite. Mitarbeite! War Hohn in Dietls Stimme? Zynismus? Sharon sah sich wieder um im Raum, vergewisserte sich an Dingen, beruhigte sich an Symbolen, am glänzend weißen Haar Dietls, an seinem Maßanzug, der Sharon wieder Vertrauen gab.
    Liebe Sharon, sagte da Dietl, ich weiß also, was Sie zu mir führt. Darf ich Ihnen zunächst trotzdem eine Geschichte erzählen? Sie können sicher sein, dass ich Ihnen helfen werde, aber Sie werden mich erst verstehen, wenn Sie die Geschichte kennen. Sie ist lange her, fast zwanzig Jahre. Ich war damals verheiratet, glücklich verheiratet, angenehm verheiratet, so heißt es doch immer, nicht wahr. Die Ehe war glücklich. Ich liebte meine Frau, natürlich, jeder glückliche Ehemann liebt seine Frau. Ich liebte ihre Sanftheit, ihr nachgiebiges Wesen. Ich liebte auch ihre Traurigkeit. Meine Frau konnte neben mir am Tisch sitzen, sie konnte mit mir reden und dann war sie plötzlich stumm. Weit weg. So war sie schon immer, sagte meine Schwiegermutter, Melanie ist von ihrem Vater zu sehr verwöhnt worden, er ließ ihr jede Laune durchgehen. Daran dachte ich, wenn Melanie wieder so still war, und langsam gewöhnte ich mich daran, schließlich beanspruchte mich mein Beruf damals fast Tag und Nacht. Als ich Melanie dann in die psychiatrische Klinik bringen musste, als sie nicht mehr aushalten konnte, dass ich sie berührte, als sie tobte, schrie und alles zertrümmerte, was sie in der Wohnung erreichenkonnte, als der Arzt sie mit einer Spritze ruhigstellen musste, als sie nach wenigen Tagen aus der Klinik entkam, als sie dort alle Ärzte getäuscht hatte mit ihrer sanften Klugheit, als sie dort entkam und sich von einem Schwabinger Hochhaus hinunterstürzte, da erfuhr ich die Wahrheit. Meine Frau war über ein Jahr mit einem französischen Chansonsänger liiert. Über ein Jahr flog sie morgens mit der Zehnuhrmaschine nach Paris, abends kehrte sie zurück. Ich selber kam ja meist erst viel später heim, meine Frau war fürsorglich, ein kleines Essen stand bereit, ich ahnte nichts. Wenn es nicht das Lied gäbe, manchmal kann man es sogar noch im Radio hören, wenn es nicht das Lied gäbe, das der Sänger damals nur für Melanie geschrieben hat, ich

Weitere Kostenlose Bücher