Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
Vom Netzwerk:
Herzklopfen, wenn er sie sah, er bewunderte sie, wie sie am Ludwigsgymnasium eine Klasse wiederholte und dann ein gutes Abitur machte. Danach stellte sie sich bei der
Süddeutschen Zeitung
vor und konnte in Dachau als Volontärin anfangen. Wo auch immer Birke war, was auch immer sie tat, sie war von Jungen und Männern umworben. Vielleicht war es Futterneid bei Krug, dass er darauf drängte, zu heiraten. Er wusste, dass auch Birke sich nicht über ihre Gefühle im Klaren war, er wusste auch, dass sie ihn offensichtlich ebenso wenig verlieren wollte wie er sie. Dabei hatten sie Angst voreinander. Angst, sich zu berühren. In den ersten Jahren hatten sie Zärtlichkeiten ausgetauscht, Zärtlichkeiten, die beiden Lust machten auf mehr, was siesich aber verboten. So verwandelten sich diese Zärtlichkeiten immer mehr in Scheu. Beide, Birke und Krug, schienen wie erstarrt, unfähig zu den Ritualen ihrer frühen Zeit. Die Hochzeitsnacht, vor der sich beide fürchteten – ja, auch Krug fürchtete sich, da er sich immerhin für das Geschehen verantwortlich fühlte   –, diese Nacht wurde ein Fiasko. Birke, als Braut womöglich noch kühler als ohnehin, tanzte mit einem Vetter Krugs wie eine Besessene Rock ’n’ Roll. Als tanze sie auf glühendem Metall, so schnell wirbelten ihre Füße, berührten die Spitzen kaum den Boden. Es war, als tanze Birke um ihr Leben, und Krug war der einzige Mensch, der das sah und auch verstand. Trotzdem musste er Unwillen zeigen. Das verlangte seine Rolle als Ehemann. Und so entkam er auf Birkes und des Vetters Kosten seiner eigenen Angst, ging wütend schlafen und gab so allen Vögeln reichlich Futter.
    Erst Wochen später, als sie von einem Redaktionsfest heimkamen, tauschten sie ihre Gedanken und Gefühle aus über eine Welt, die sie noch nicht kannten. Sie waren angeregt und wie berauscht von Möglichkeiten und Anforderungen. Angesichts ihres Neubeginns klammerten sie sich aneinander und lösten ein, was sie in langen Jahren ersehnt oder vielmehr gefürchtet hatten. Auch als Danda und später Mauritz geboren wurden, standen Birke und Krug immer noch an der Peripherie ihrer Träume. Sie erhofften immer noch das Wunderbare, aber es wurde nicht wahr.
     
    Krug war im germanistischen Seminar mit einem Mädchen zusammen, das Liddy hieß und aus Malente kam. Krug wusste nicht, wo Malente liegt, aber Liddy kannte er bald genau. Sie diskutierte beredt über dasMittelalter, die frouwe, über die Psychoanalyse, über Thomas Mann. Mit Liddy lernte Krug nicht nur Gotisch und Altsächsisch, sondern auch das
Kamasutra.
Er lernte aber auch, wie es ist, verlassen zu werden. Er verstand nicht, dass Liddy immer seltener Zeit für ihn hatte, dass sie ihm auswich in der Mensa und im Hörsaal, bis er endlich begriff, dass der Kommilitone, von dem sie gesagt hatte, dass er ein entfernter Verwandter von ihr sei, dass dieser Halb-Cousin jetzt seinen, Krugs, Platz in Liddys Bett einnahm.
    Obwohl daheim die Mütter ihm und Birke für Arbeit und Studium den Rücken freihielten und ihn umsorgten, obwohl Birke neben ihrer Redaktionsarbeit Interesse für seine Übungen im Minnesang und Versroman hatte, obwohl das Aufwachsen seiner Kinder ihn zusätzlich band – trotz aller Fäden, die Krug einspannen in die Familie, traf ihn der Verrat Liddys wie ein Steinschlag aus großer Höhe. Obwohl er wusste, dass Liddy seiner längst überdrüssig war, brachte er ihr zum Geburtstag einen Korb Blumen. Liddy ließ ihn nicht ein, verschloss die Tür hinter seinen Blumen, denn natürlich war sie nicht allein. Krug saß in seinem Zimmer, zwischen den Dingen, die ihm teilweise seit der Kindheit vertraut waren. Er saß da und schlug mit seinem Kopf gegen die Raufasertapete der Wand. Er war inmitten seiner Nächsten allein mit seinen Schuldgefühlen und seiner Demütigung, saß wie in einem dunklen Loch, das ihm sein Verrat bereitet hatte, denn er sah erst jetzt seine Zeit mit Liddy als einen Verrat an Birke, an seiner Ehe. Seine Lügen, seine Ausreden, seine Gier nach Liddy machten ihm zu schaffen.
    Einmal, sie saßen alle um den Tisch beim Abendbrot,die Mütter, Birke und die Kinder, da drohte Krugs Hirn – oder war es sein Herz oder seine Seele – zu zerplatzen. Er sah die geschäftigen, sich überbietenden Gesten der Mütter, die die Familie umsorgten, als seien Birke und er Kinder wie Danda und Mauritz, er sah Birke, die den Kindern versprach, noch eine Runde mit ihnen Rad zu fahren, sie alle waren, so schien es Krug, frei von

Weitere Kostenlose Bücher