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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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würde nichts von der Geschichte glauben. Es war, als hätte ich tief geschlafen unter der Decke meiner glücklichen Ehe, ich lebte wie Jonas im Bauche des Wals. Ich sah auch nicht die Blicke unserer Freunde, die es alle wussten. Sie hatten Melanie mehrfach am Flughafen gesehen, sie hatten sie in Paris gesehen, wo der Sänger sie abholte und wieder zum Flughafen brachte, doch die beiden haben niemals jemanden gesehen. Sie lebten nur für diese Stunden, für diese Liebe. Als ich es endlich erfuhr, als der Sänger bei mir anrief, fassungslos am Telefon schreiend, da fühlte ich nichts. Keinen Schmerz, keine Wut, keine Demütigung. Ich erinnere mich auch nicht, ob es damals regnete oder ob die Sonne schien, ich erinnere mich nicht einmal an den Tag der Beisetzung. Ich war nicht dort, bis heute weiß ich nicht, wo sie Melanie begraben haben   ...
    Während er zu Sharon sprach, war Dietl aufgestanden, hatte aus seinem Schreibtisch einen Silberrahmen geholt, in dem eine Fotografie steckte. Sharon sah einklares Gesicht, große, weit auseinanderliegende Augen, in die sie, Sharon, jetzt Dietls Geschichte hineinschrieb, diese Geschichte, die sie nichts anging, die sie als Bedrohung fühlte. Was hatte sie, Sharon, mit dieser Unglücklichen zu tun? Warum war sie zu Dietl gekommen, der jetzt abwesend aus dem Fenster über die Dächer seiner Stadt schaute. Sharon wollte gehen, doch sie fühlte sich energielos, knochenlos, die Augen der Frau schienen sie zu warnen. Auch Dietl sah jetzt wieder Sharon an, er legte das Bild seiner Frau zurück in den Schreibtisch, kam zu Sharon, die aufgestanden war und sich nun wieder hinsetzte, zurückwich vor dem, was Dietl für sie bereithalten mochte. Doch Dietl setzte sich ruhig Sharon gegenüber, seine Hände zitterten nur leicht, als er sich eine Zigarette anzündete. Sharon sah zum ersten Mal, dass er wasserhelle Augen hatte.
    Kommen Sie zu mir, Sharon, sagte Dietl übergangslos, er schaute Sharon freundlich an, als ob er sie in die Oper einladen wolle, kommen Sie zu mir, Sharon, nicht in diese Kanzlei, was sollen Sie hier tun? Tippen? Telefonieren? Lächerlich. Eine Frau wie Sie. Sie sind die schönste Frau, die ich kenne. Sie tanzen, um zu leben, gut, tanzen Sie, aber nicht unter diesen Leuten. Meine Wohnung ist groß, hat weite, helle Räume, ich habe mehr als tausend Schallplatten, Klassik, Modernes, was Sie wollen. Tanzen Sie, gehen Sie in Ausstellungen, malen Sie – aber tun Sie es in meinem Haus. Ruhig, ruhig, rennen Sie nicht weg, ich weiß, dass meine Vision Ihnen unverständlich sein muss. Aber denken Sie doch darüber nach. Sie haben nichts zu verlieren, Sie müssen auch keine Angst haben. Sie sind doch Soldatin gewesen, haben in Zelten gelebt,können mit einem Gewehr umgehen. Sie springen mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug. Sie sind frei. Sie sind es auch, wenn Sie bei mir wohnen. Die Tür wird immer offen sein, Sie können gehen, wenn Sie das wollen. Doch kommen Sie zuerst einmal, sehen Sie sich meinen Traum an, den ich seit mehr als einem Jahr träume. Seit dem Tag, als ich Sie im Flugzeug gesehen habe, wollte ich, dass Sie mit mir leben.
    Was gehen mich deine Träume an, fragte sich Sharon. Was geht es mich an, dass du hier in deinem Geld ertrinkst oder erstickst? Dass du vor lauter advokatischen Schachzügen und Prozessen nicht gesehen hast, wie deine Frau neben dir krepierte. Als sie versuchte, einmal in ihrem Leben etwas einzusetzen, als sie va banque spielte, um das Dasein neben einem karrierebesessenen Egomanen zu ertragen. Einem Mann, der bis heute nicht zur Trauer fähig ist, der bis heute nur sich selber sieht, so wie er immer nur sich selber gesehen hat. Jetzt mutet er mir seine Visionen zu, vergoldet mit seinen Statussymbolen, er möchte mich glauben machen, er sei Hiob, für mich ist er ein Doktor Faust, ein Monster   ...
    Als Sharon schon längst wieder in ihrer Wohnung war, als sie mit Birke telefonierte, in ihrer hellen Stimme die Zuversicht hörte und die Sicherheit, dass sich in der Redaktion und wenn nicht in dieser, dann in einer anderen, eine Arbeit finden lasse, da wichen die Beklommenheit, die Wut und das Nichtbegreifen von Sharon.
     
    Christin und Pablo kamen, Sharon hatte den Kleinen lange nicht gesehen. Er konnte Schnuller sagen und Auto, Lulla, Ato, mein Süßer, Süßa, er schob seinenBuggy Sharon vor die Füße, wollte, dass sie kreischend wegsprang, worüber er dann sein kehliges hinreißendes Lachen lachte. Pablo löste Sharon ganz aus ihren

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