Diesseits vom Paradies
gepaart mit einer lässigen Gleichgültigkeit gegen alles, was Arbeit hieß, brachte jeden Lehrer zur Weißglut. Er verlor den Mut und betrachtete sich als Ausgestoßenen, begann, sich gekränkt in einsamen Winkeln herumzudrücken und nachts verbotenerweise zu lesen. Da er das Alleinsein nicht ertragen konnte, schloss er Freundschaft mit solchen Schülern, die nicht zur Elite der Schule gehörten, doch dienten sie ihm nur als Spiegel seiner selbst, als Publikum [47] für seine Posen, ohne die er nicht leben konnte. Er war unerträglich einsam, verzweifelt unglücklich.
Doch gab es auch tröstende Lichtblicke. Wenn Amory in Selbstmitleid zu versinken drohte, war seine Eitelkeit die letzte Rettung, und von »Wookey-Wookey«, der tauben alten Wirtschafterin, zu hören, er sei der bestaussehende Junge, den sie je gesehen hätte, bereitete ihm nach wie vor prickelnde Genugtuung. Es freute ihn, dass er als Jüngster und Leichtester in die erste Footballmannschaft aufgenommen worden war; und es freute ihn auch, von Dr. Dougall am Ende einer hitzigen Unterredung zu vernehmen, wenn er nur wollte, könnte er einer der besten Schüler sein. Doch Dr. Dougall irrte sich. Amorys Naturell machte es ihm unmöglich, jemals bester Schüler zu werden.
Unglücklich, sich seiner Grenzen bewusst, unbeliebt bei Schülern und Lehrern – das war Amorys erstes Semester. Aber zu Weihnachten kehrte er mit zusammengebissenen Zähnen und seltsam euphorisch nach Minneapolis zurück. »Ach, am Anfang hab ich vielleicht ein bisschen dick aufgetragen«, sagte er gönnerhaft zu Frog Parker, »aber dann hab ich’s geschafft – als Leichtester in der ersten Mannschaft. Gar nicht übel, so ’ne Schule, Froggy – du solltest auch woandershin gehen.«
Die Sache mit dem wohlmeinenden Lehrer
Am letzten Abend des ersten Semesters ließ Mr. Margotson, der rangälteste Lehrer, Amory die Nachricht in den Studiensaal bringen, dass er ihn um neun Uhr in seinem [48] Zimmer zu sprechen wünsche. Amory vermutete, dass ihm ein ernstes Wort drohte, beschloss aber, höflich zu sein, denn dieser Mr. Margotson war ihm bisher immer wohlwollend entgegengekommen.
Der Lehrer empfing ihn mit feierlichem Ernst. Er räusperte sich und sah so absichtsvoll freundlich drein wie jemand, der weiß, dass er sich auf ein heikles Gebiet gewagt hat.
»Amory«, setzte er an, »ich wollte in einer persönlichen Angelegenheit mit dir sprechen.«
»Ja, Sir.«
»Du bist mir in diesem Jahr aufgefallen, und – nun, du gefällst mir. Ich glaube, du hast das Zeug dazu – ein großer Mann zu werden.«
»Ja, Sir«, brachte Amory mit Mühe heraus. Er hasste es, wenn man über ihn sprach, als sei er ein kompletter Versager.
»Aber mir ist aufgefallen«, fuhr der Ältere unbeirrt fort, »dass du bei den anderen nicht sehr beliebt bist.«
»Nein, Sir.« Amory fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Äh – ich dachte, vielleicht weißt du nicht genau, was – äh – die anderen an dir stört, und ich wollte es dir sagen, weil ich glaube – äh –, wenn jemand seine Schwächen kennt, kann er sie besser meistern – sich so verhalten, wie es die anderen von ihm erwarten.« Er räusperte sich wieder taktvoll und fuhr dann fort: »Sie sind offenbar der Ansicht, dass du – nun, dass du dir ein bisschen zu viel einbildest…«
Das war zu viel für Amory. Er erhob sich von seinem Stuhl und hatte seine Stimme nur mühsam in der Gewalt, als er zu sprechen begann.
[49] »Das weiß ich – glauben Sie vielleicht, ich wüsste das nicht selbst?« Seine Stimme wurde lauter. »Ich weiß ganz genau, was sie alle denken; glauben Sie etwa, Sie müssten mir das noch sagen!« Er hielt inne. »Ich bin – ich muss jetzt zurück – wollte nicht unhöflich sein…«
Eilig verließ er das Zimmer. Draußen in der kühlen Nachtluft, auf dem Weg zu seinem Haus, genoss er den Triumph, die Hilfe zurückgewiesen zu haben.
»Dieser verdammte alte Narr!«, schrie er wütend. »Als ob ich das nicht selber wüsste!«
Das Ganze diente ihm nun als guter Grund, an diesem Abend nicht mehr in den Studiensaal zurückzugehen, und so beschloss er, stattdessen gemütlich auf seinem Bett Kekse zu knabbern und The White Company zu Ende zu lesen.
Die Sache mit dem wunderbaren Mädchen
Der Februar stand unter einem Glücksstern. New York überraschte ihn an Washingtons Geburtstag mit dem Glanz eines langerwarteten Ereignisses. Sein damaliger flüchtiger Eindruck von strahlendweißen Gebäuden vor tiefblauem Himmel
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