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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Wikingerschiffes, war Roland und Horatius, Sir Nigel und Ted Coy, war alles zugleich, stürzte sich, gestählt und geläutert, mit wildem Entschluss in die Brandung, schlug den Ansturm zurück, hörte von ferne donnernde Hochrufe… [53] erschöpft zuletzt und angeschlagen, doch immer noch unbezwungen, umspielte er den Gegner, machte eine Wendung, wurde schneller, wehrte mit ausgestrecktem Arm die Angreifer ab… und stürzte hinter Grotons Tor, von zwei Spielern an den Beinen festgehalten, im einzigen Touchdown des Spiels zu Boden.
    Die »Slicker«-Philosophie
    Aus der spottenden Überlegenheit der sechsten Klasse und ihrer Erfolge sah Amory mit herablassender Verwunderung zurück auf das vergangene Jahr. Er hatte sich so grundlegend verändert, wie es einem Amory Blaine nur eben möglich war. Amory plus Beatrice plus zwei Jahre Minneapolis – aus diesen Zutaten war er zusammengemixt, als er nach St. Regis kam. Doch waren die Jahre in Minneapolis als Schutzschicht nicht dicht genug, um »Amory plus Beatrice« vor den scharfen Spürblicken des Internats zu verbergen – also hatte St. Regis ihm Beatrice höchst schmerzhaft ausgetrieben und damit begonnen, den eigentlichen Amory mit einer neuen, konventionelleren Schicht zu versehen. Weder St. Regis noch Amory bemerkten jedoch, dass dieser eigentliche Amory der Gleiche geblieben war. Die Eigenarten, die ihm so viele Schwierigkeiten eingebracht hatten – seine Launenhaftigkeit, seine theatralischen Posen, seine Faulheit und sein Hang, den Clown zu spielen –, wurden jetzt ohne weiteres als Extravaganzen eines phantastischen Quarterbacks, begabten Schauspielers und Redakteurs der St. Regis Tattler hingenommen; er war einigermaßen verwundert, wenn [54] er sah, wie leicht zu beeindruckende junge Bürschchen ebendie Eitelkeiten nachahmten, die noch vor kurzem als verachtenswerte Schwächen gegolten hatten.
    Nach der Footballsaison verfiel er in einen Zustand traumverlorener Selbstzufriedenheit. In der Nacht des Abschlussballs stahl er sich fort und ging früh ins Bett, um der fernen Geigenmusik zu lauschen, die über den Rasen zu seinem Fenster drang. Viele Nächte lag er so da und träumte mit offenen Augen von versteckten Cafés auf dem Montmartre, von Frauen mit Gesichtern wie Elfenbein, tief in phantastische Geheimnisse mit Diplomaten und Glücksrittern verstrickt, während die Salonmusik ungarische Walzer spielte und die Luft erfüllt war von Intrigen und Mondlicht und exotischem Abenteuer. Im Frühling las er für einen Kurs L’Allegro und fühlte sich zu lyrischen Ergüssen über Arkadien und die Flöten des Pan inspiriert. Er stellte sein Bett so, dass die ersten Sonnenstrahlen ihn weckten und er sich in aller Herrgottsfrühe ankleiden konnte, um nach draußen zu der altertümlichen Schaukel zu gehen, die in der Nähe seines Hauses von einem Apfelbaum herunterhing. Er schaukelte sich höher und höher, bis er wirklich in die Luft hinauszuschwingen schien, in ein Feenland voll flötenspielender Satyrn und Nymphen mit den Gesichtern hellhaariger Mädchen, die er in den Straßen von Eastchester gesehen hatte. Wenn die Schaukel den höchsten Punkt erreichte, lag Arkadien wirklich gleich hinter dem Rand eines Hügels, wo sich die erdbraune Straße als winziger goldener Punkt verlor.
    Er las unglaublich viel in diesem Frühjahr, seinem beginnenden achtzehnten Lebensjahr: Der Herr von Indiana, Neue Märchen aus 1001 Nacht, Die Morallehre des Marcus [55] Ordeyne, Der Mann, der Donnerstag war, das er mochte, ohne es zu verstehen; Futter in Yale, das für ihn eine Art Leitfaden wurde; Dombey und Sohn, weil er meinte, wirklich einmal etwas Besseres lesen zu müssen; er las die Gesammelten Werke von Robert Chambers, David Graham Phillips und E. Phillips Oppenheim und einzelne Werke von Tennyson und Kipling. Vom gesamten Lehrstoff weckten nur L’Allegro und die strenge Klarheit der Geometrie in ihm ein schwaches Interesse.
    Als der Juni näher rückte, verspürte er das Bedürfnis nach einem Gesprächspartner, um seine philosophischen Ideen zu formulieren, und fand ihn zu seiner Überraschung in Rahill, dem Sprecher der sechsten Klasse. In vielen Gesprächen, bei Spaziergängen auf der Hauptstraße, auf dem Bauch am Rande des Baseballfeldes liegend oder auch spätnachts mit ihren im Dunkeln glühenden Zigaretten, hechelten sie alle die Schule betreffenden Fragen durch; und dabei entstand der Begriff »Slickers«.
    »Hast du Tabak?«, flüsterte Rahill eines Nachts mit dem

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