Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
Jahre lang den Weinberg selbst bestellen müssen«, meinte Hartmut.
Ein freiwilliger Feuerwehrmann meinte, diesen nördlichsten Wein der Erde gäbe es gar nicht. Die Frauen brächten ihre Trauben nach Sachsen, wo sie irgendeinem der unzähligen Dornfelder als würzige Zutat beigemischt würden.
Doch die Trauben existierten. Sie kamen im Sommer als grüne Pünktchen aus den Reben und entfalteten im Herbst ihre Farbe und Form. Ab und zu kletterte ich über den provisorischen Zaun, der unser Grundstück vom Weinberg trennt, und klaute eine Handvoll Weintrauben, um den Geschmack des Endproduktes zu erahnen. Die Beeren schmeckten bitter und sauer, als wären sie chronisch unreif. Wie soll dieser Wein wohl schmecken, überlegte ich. Nordbrandenburg zeichnete sich durch ein feuchtes Klima und wenig Sonne aus. Unter solchen Bedingungen einen anständigen Rotwein zu produzieren schien mir unmöglich. Andererseits mochte ich diesen Weinberg, auch der Versuch der beiden Frauen, Unmögliches zu schaffen, imponierte mir.
Ich spielte mit dem Gedanken, vielleicht später eine Winzerkarriere anzufangen, wenn die Frauen irgendwann einmal keine Lust mehr hätten und mir den Weinberg überließen. In meiner Phantasie brachte ich bereits einen selbst gezüchteten nördlichsten Wein der Erde heraus, einen »Gewürzkaminer«: ein bitter-süßer Wein aus dem Herzen Brandenburgs, der den Menschen im Winter die Gemüter erwärmt, einen Wein zum Tanzen im Schnee. Ich würde ihn am liebsten nach alter georgischer Tradition keltern, in eine große Amphore gießen und diese Amphore bei mir im Garten eingraben. Der Wein sollte in den Säften der Erde gären und all die Geschichten des Landes aus dem Boden saugen, alles, was dieser Gegend in den letzten tausend Jahren widerfahren ist, die süße Freude und das bittere Leid. Nach ein paar Jahren würden wir die Amphore vorsichtig öffnen und zusammen mit dem ganzen Dorf austrinken. Danach wären wir genauso weise und klug wie der Wein und hätten vor nichts auf der Welt mehr Angst. Solange wir nicht vorher in die Amphore fielen. Wir würden diesen Wein niemals auf den Markt bringen, denn Wunder dürfen nicht verkauft werden.
Für mich zählt Wein zu den großartigsten Wundern der Welt und seine Herstellung zu den edelsten Vorhaben, die man auf Erden verwirklichen kann. Die Winzer sind die Könige unter den Landwirten. Nicht umsonst hat sich auch Jesus als Winzer hervorgetan, indem er Wasser in Wein verwandelte und nicht etwa in fettarmen Joghurt, Soljanka oder Wodka. Jesus wusste wahrscheinlich, dass Soljanka keine Lösung war, da er nur wenig Zeit hatte. Überall sah er verzweifelte Menschen, und zwanzig Leben hätten nicht ausgereicht, um allen zu helfen. Schnell bemerkte er, dass nur ein Wunder diese Menschen retten konnte. Also heilte er Kranke, schaffte es sogar, einen Toten zu überreden, wieder zum Leben zu erwachen, aber sein größtes Wunder war der Wein.
Die Bibel berichtet ausführlich darüber. Es ging um eine Hochzeit, bei der die Erwartungen der Beteiligten nicht erfüllt wurden. Der Bräutigam hatte viele Gäste eingeladen, er wollte einmal richtig feiern und die Sau rauslassen, man heiratete schließlich nicht jeden Tag. Er hatte alle seine Freunde, Verwandten, Bekannten, Halbbekannten und sogar ein paar Unbekannte eingeladen, fand aber auf dem Hof nur einen spärlich gedeckten Tisch. Es war ihm äußerst peinlich, mit seinen Halbbekannten an diesem Tisch zu sitzen. Die Braut genierte sich ebenfalls, dass ihre Eltern, die für das Fest die Verantwortung trugen, sich dermaßen verrechnet hatten. Die Eltern hatten sparen wollen. Was soll der Quatsch mit der Hochzeit, hatte der Papa gedacht. Warum sollen sich irgendwelche Unbekannte auf unsere Kosten betrinken? Er hatte daher nur sehr wenig Wein auf den Tisch gestellt, der prompt in fünf Minuten ausgetrunken war, und wartete daraufhin geduldig, bis die Gäste abdankten. Doch die Gäste blieben, sie warteten auf die Fortsetzung.
»Danke, Papa, für dieses wunderbare Fest«, sagte der Bräutigam zu dem Schwiegervater. »Was für eine überschwängliche Stimmung! Mir platzt gleich der Kragen vor Freude.«
»Nichts zu danken, selber schuld«, sagte der Papa. »Wen hast du denn eingeladen? Was sind das für Leute? Wir kennen sie doch gar nicht. Wir dachten, wir würden im kleinen Familienkreis feiern. Angesichts der bevorstehenden ersten Liebesnacht würde ich dir sowieso raten, trocken zu bleiben«, meinte der Vater der
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