Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
Braut.
»Danke, Schwiegerpapa, für diesen Ratschlag«, erwiderte der Bräutigam, »es macht mir keine Mühe, in deiner Gesellschaft trocken zu bleiben, da wir ja sowieso nichts zu trinken haben. Aber ich möchte, dass Sie es wissen, die Hochzeit haben Sie mir schon vergiftet.«
Die Eltern schüttelten die Köpfe. Ach, hätten sie doch lieber gar keinen Wein auf den Tisch gestellt, das wäre vielleicht besser gewesen. So hatte jeder bereits einen Schluck genommen, einen ganz kleinen, der aber mehr versprach und die Menschen in Streitlaune versetzte.
»Mein lieber Schwiegersohn«, sagte der Papa der Braut. »Wir haben dich nicht zum Heiraten gezwungen. Unsere Tochter war deine Wahl. So könnten unsere verehrten Gäste denken, du hättest nur geheiratet, um auf unsere Kosten saufen zu können. In dieser Situation wäre es an deiner Stelle eher angebracht, die Klappe zu halten.«
So stritten sie fleißig vor sich hin, miese Laune verbreitete sich am Tisch, und die ganze Feier schien zu platzen. Plötzlich stand einer der unbekannten Gäste auf und rief leise zu den Streitenden, sie mögen doch mit diesem Unsinn aufhören: »Macht lieber das große Fass auf, das bei euch im Hinterhof steht. Ich habe nachgeschaut, es ist randvoll mit ausgezeichnetem Wein.«
»Es muss sich hier um ein Missverständnis handeln«, erwiderte der Papa der Braut. »In diesem Fass auf dem Hof ist bloß Wasser, altes Regenwasser für die Ziegen«, sagte er und errötete.
»Glaubst du an Wunder, alter Mann? Wunder, die allein uns retten können?«, fragte Jesus, denn er war dieser unbekannte Gast.
»Nein«, sagte der Papa entschlossen. »Ich glaube nicht an Wunder, die uns retten. Ich glaube, dass uns nur harte Arbeit, Respekt vor dem Alter und Ergebenheit vor dem Staat weiterbringen können.«
»Gut, wenn dem so ist, lass uns dein altes Ziegenwasser probieren«, schlug Jesus vor.
Die Gäste liefen also zum Fass, und tatsächlich war es bis an den Rand mit ausgezeichnetem Wein gefüllt. Ein süßes Getränk war das, mit dem nördlichsten Wein der Erde aus Brandenburg nicht zu vergleichen.
»Was für ein toller Wein!«, riefen die Gäste.
»Du alter Geizhals!«, rief der Bräutigam.
»Ein Wunder, ein Wunder ist geschehen«, rief der Papa und errötete noch mehr.
Sie tranken die ganze Nacht, tanzten, sangen alte Volkslieder und wurden dicke Freunde.
Wein ist ein gefährlicher Spaß, er ist mit Vorsicht zu genießen. Am frühen Morgen lagen die meisten totbetrunken auf dem Boden. Nur drei Männer saßen vor dem Ziegenstall und beobachteten den Sonnenaufgang: der Papa, Jesus und der Bräutigam. Im Laufe der Feier hatte Papa ein zweites Fass Ziegenwasser im Keller gefunden, das Jesus problemlos in Wein verwandelt hatte. Die Männer näherten sich dem Boden des zweiten Fasses.
»Du alter Fuchs«, umarmte der Bräutigam seinen Schwiegervater.
»Du bist schon in Ordnung, wir werden eine lustige Zeit zusammen haben. Und was machen Sie beruflich?«, fragte der Papa Jesus, der nachdenklich neben den beiden saß und völlig nüchtern in den Himmel schaute.
»Ich bin Jesus, der Sohn Gottes auf Erden«, antwortete er. »Ich bin gekommen, um die Menschen ans Licht zu führen. Sie sollen ehrlich zueinander sein, alles miteinander teilen und einander lieben. Nur die Liebe zählt.«
»Das hast du gut gemacht, Jesus«, klopfte ihm der Bräutigam auf die Schulter. »Du hast meine Hochzeit, meine Ehre und den Ruf unserer jungen Familie gerettet. Dafür danke ich dir von ganzem Herzen.«
»Sie sind auf einem gefährlichen Weg, junger Mann«, sagte der Papa zu Jesus. »Die Menschen mögen zwar Ihre Wunder, aber sie mögen es nicht, wenn Wunder auf ihre eigenen Kosten stattfinden. Nicht alle wollen ans Licht, viele sitzen gern im Dunkeln. Es ist doch viel gemütlicher und vertrauter, in der eigenen Dunkelheit zu bleiben, als an das fremde Licht gezerrt zu werden. Wenn Sie so weitermachen, wird es für Sie möglicherweise böse enden.«
»Ich weiß«, sagte Jesus, »ich weiß, was mir passieren wird. Ich rede noch einmal mit meinem Vater darüber, vielleicht lässt sich ein Kompromiss finden.«
»Lass uns ins Haus gehen«, sagte der Papa, »ich habe da noch eine Flasche auf Vorrat versteckt.«
»Hey, warum verstecken Väter immer ihre Flaschen?«, rief der Bräutigam verwundert.
Welche Erkenntnis hatte wohl der nördlichste Rotwein der Welt den beiden Frauen geschenkt? Darüber grübele ich jedes Mal nach, wenn ich den Glücklitzer Weinberg vor
Weitere Kostenlose Bücher