Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
europäische Adel früher eng zusammengehalten hatte, man war eine große Familie, weshalb auch alle Gärten von damals eine klare Verbindung besitzen, als wären auch sie miteinander verwandt. Vieles haben sie damals in fremden Gärten voneinander abgeguckt, haben Pflanzen, Bäume, Schlösser und Konzepte ausgetauscht. Zu sozialistischen Zeiten stagnierte die Gartenarbeit hier jedoch ein wenig. Der Garten gehörte ganz allgemein dem großen tschechoslowakischen Volk, weswegen sich kaum einer richtig um ihn kümmerte. Obwohl so dicht an der Grenze gelegen, wird Lednice noch heute fast nur von Tschechen besucht, die hier gerne ihre Hochzeiten und Geburtstagspartys feiern.
In Lednice durfte ich trotz eines allgemeinen Angelverbots angeln. Die Leitung der Parkanlage machte für uns eine Ausnahme, mit der einzigen Auflage, dass wir alle gefangenen Fische vor laufender Kamera zurück ins Wasser werfen sollten. Es sollte im Film deutlich zu sehen sein, dass tschechische Fische in Tschechien blieben. Seit die Tschechen 2004 der EU beigetreten sind, hadern sie mit diesem Schritt. Warum sollen wir für die Griechen zahlen, wo doch die Griechen viel reicher sind, als wir es jemals waren?, argumentieren sie. Auch die Tatsache, dass die Slowakei, die kleine Stieftochter, als eigenständiges Land an der Seite der EU noch immer nicht untergegangen ist, stimmt die Tschechen trotzig.
Niemand aus unserem Filmteam glaubte wirklich, dass irgendein Fisch anbeißen würde. Wir hatten nicht einmal eine richtige Angel dabei. Mit einem kurzen Stock bewaffnet, an dem eine Schnur mit Haken befestigt war, setzte ich mich ans Ufer des kleinen Sees in die untergehende Sonne, ein paar Krümel Weißbrot in der Hand, die mir als Köder dienen sollten. Die Tschechen lachten im Vorbeigehen über meine hilflosen Versuche, etwas zu fangen. Ich glaubte auch nicht hundertprozentig an den Erfolg, wettete aber aus Trotz mit dem Kameramann, einem Engländer und Angelliebhaber, auf ein Bier, dass ich es schaffen würde, wenigstens einen Fisch zu fangen. Ich dachte: Wenn das Angeln in Lednice verboten ist, die Fische aber nicht gefüttert werden, dann müssten sie mir doch buchstäblich aus dem Wasser in die Tasche springen. Unter solchen Umständen sollte es nicht schwer sein, erfolgreich zu angeln. Man könnte auch einen Finger ins Wasser stecken, sofort würde einer anbeißen.
Und tatsächlich, nach nicht einmal fünf Minuten hatte ich einen großen Fisch an der Angel, eine tschechische Goldbrasse oder so etwas Ähnliches. Der Fisch war so groß und schlüpfte so unerwartet aus dem Wasser, dass ich völlig aus der Rolle fiel. Statt wie abgesprochen den Fisch vom Haken zu befreien und wieder ins Wasser zu werfen, umklammerte ich die Brasse mit beiden Händen, drückte sie an die Brust und schrie in die vor Erstaunen wackelnde Kamera des englischen Kameramanns:
»Ich hab’ bei dir ein Bier gut!«
Auch der Fisch wunderte sich über seine neue Lebenssituation. Als Komparse in einem deutschen Gartenfilm zu agieren, war wohl nicht seine Traumrolle. Er schlug mir mit beiden Flossen gegen die Brust, glitt zu Boden, sprang ins Wasser und schwamm davon. Das alles passierte so schnell, dass der englische Kameramann keine Chance hatte, die Rückkehr des Fisches zu filmen. Wir mussten jedoch der Direktion der Gartenverwaltung beweisen, dass er zurück ins Wasser gebracht worden war. Bis Einbruch der Dunkelheit versuchten wir daher, die Szene glaubwürdig nachzustellen. Ich stand am Ufer, warf große Steine ins Wasser, tat so, als wären es Fische, schüttelte vor angeblicher Begeisterung den Kopf und rief: »Was für eine fette Bestie! Haben Sie die gesehen?«
Der dritte Garten war Pawlowsk bei St. Petersburg. Die russische Aufklärerin Katharina die Große hatte ihn einst ihrem Sohn Pawel geschenkt. Gar nichts ist hier geschnitten, totale russische Gartenanarchie!, freuten sich die deutschen Filmemacher. Der Dreh in diesem russischen Garten war kompliziert. Vor allem erwies es sich als schwierig, eine Brücke der Verständigung zwischen den russischen und deutschen Gartenkollegen zu schlagen. Die Filmerei ist ein Geschäft, das aus lauter Absprachen besteht. Für den Zuschauer soll aber am Ende alles natürlich, möglichst spontan und authentisch wirken, deswegen darf beim Dreh keine Tür zur falschen Zeit auf- oder zugehen. Im russischen Gartenparadies waren Absprachen allerdings unmöglich. Russen sind Fatalisten, sie wissen selbst nicht, was kommt. Aber sie
Weitere Kostenlose Bücher